© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/24 / 12. Januar 2024

Angriff auf den Bauernstand
Ohne Diesel ist die moderne Landwirtschaft unmöglich / Elektro-Traktoren keine Alternative
Paul Leonhard

Auf die Einführung einer Kfz-Steuer für Land- und Forstmaschinen will die Bundesregierung nach den eindrucksvollen Protesten verzichten. Die „Agrardieselbeihilfe“ – jene 21,48 Cent pro Liter, die die Bauern in Deutschland via Energiesteuer von 47,04 Cent zuvor selbst bezahlt haben – soll aber nach dem Willen der Ampel-Koalitionäre schrittweise und ab 2026 komplett entfallen. Denn man brauche „unbedingt eine umfassende CO₂-Bepreisung“, um „wirtschaftliches Handeln klimaschonend auszurichten“, belehrte Peter Breunig, Koordinator für „Marketing und Management im Agribusiness“ an der oberbayrischen Hochschule Weihenstephan, die Bauern in der FAZ. Die Landwirte müßten weg „vom klassischen Pflug, der den Boden wendet, hin zu reduzierter Bodenbearbeitung oder möglicherweise Direktsaat ohne jede Bearbeitung“.

Immerhin gibt Breunig – früher Territory Manager für Kasachstan und Aserbaidschan beim US-Landtechnikkonzern John Deere – zu, daß es in „den meisten Fällen keine wirklichen Alternativen zum Diesel, insbesondere bei großen Traktoren und Erntemaschinen“, gebe. Der Klimaaktivist Joachim Müller-Jung stellte selbst das in Frage: „Brauchen wir Agrardiesel für die Welternährung?“. Und der FAZ-Ressortleiter Wissenschaft gab am 3. Januar die Antwort: Bald nicht mehr, die „Elektrifizierung auf dem Acker“ sei möglich. Das zeigten Forscher an der schwedischen Staatsuni Linköping, die Pflanzen mit stromdurchfluteten Unterlagen dopten: „50 Prozent mehr Wachstum und Biomasse binnen Wochen sind möglich. Kein Diesel, kaum Dünger, maximale Effizienz bei der Stickstoffaufnahme“, schwärmt der Diplombiologe aus Heidelberg.

Geringe Betriebszeiten und hohe Anschaffungskosten 

Das Umweltbundesamt hat den Angriff auf den Bauernstand schon 2021 in seinem Bericht über „Umweltschädliche Subventionen in Deutschland“ gefordert. Doch für Aussaat, Pflanzenschutz, Düngung, Ernte und Abtransport sind dieselnde Landmaschinen unverzichtbar. Denn schwachbrüstige Elektrotraktoren wie der T4 Electric Power von New Holland oder Fendt e100 Vario sollen zwar in diesem Jahr in die Produktion gehen, doch die haben nur eine Leistung von 75 PS. Damit sind sie sogar leistungsschwächer als der kleine Fendt 207 Vario ist. Der ist ab 100.000 Euro zu haben.

Der e-Fendt wird teurer, denn er hat wie der große Tesla X eine Akkukapazität von 100 Kilowattstunden. Das ermögliche „bei Einsätzen im Teillastbereich wie Laubschneiden oder Kehren eine Arbeitszeit von etwa vier bis sieben Stunden“, verspricht der seit 1997 zum US-Konzern Agco gehörende Landmaschinenhersteller. Dank „Thermomanagement wird die Batterie das ganze Jahr über mit optimaler Temperatur betrieben“ – sprich: Bei Kälte oder Hitze ist die Einsatzzeit geringer, denn Akkupflege kostet, wie E-Mobilisten wissen, Energie.

Akkubetriebene Rasenmäher oder Kleingeräte sind seit Jahren zuverlässig im Einsatz. Auch über E-Traktoren mit mehr als 95 PS Leistung denke man nach, so Fendt-Geschäftsführer Christoph Gröblinghoff. Untersucht werde, ob 150 oder 180 PS möglich seien – für einen mindestens vier- bis sechsstündigen Einsatz. Aber „für einen Traktor mit 300 PS brauchen wir eine Batterie mit rund 15 Tonnen Gewicht“, so der Vertriebsexperte aus Westfalen, der 2020 ankündigte, die Elektromobilität auch auf den Acker zu bringen. Vorstellbar sei, E-Traktoren mit bis zu 130 PS zu entwickeln, mehr ergebe aktuell aber keinen Sinn. Diesel-Modelle wie der 728 Vario knacken dagegen die 300-PS-Grenze.

Immerhin wurde ein Zukunftskonzept für den e-Fendt vorgestellt. Der Einsatz von „Methanol aus erneuerbaren Quellen“ soll die Betriebszeit verdoppeln: Eine mit Holzalkohol (CH4O) betriebene Brennstoffzelle könnte die schwächelnden Batterien während ihres Einsatzes aufladen. Diese Technologie zeichne sich durch einen hohen Wirkungsgrad aus, ermögliche lange Betriebszeiten sowie eine schnelle Betankung, schwärmt Mads Friis Jensen, Mitgründer der dänischen Firma Blue World Technologies, die das Verfahren mit Agco entwickelt hat: Der flüssige Kraftstoff ermögliche den „Landwirten flexibel und vor allem nachhaltig zu arbeiten“. Allerdings gibt es derzeit lediglich Labortests und erste Prototypen.

„Eine Schlüsselrolle in der Transformation der Landwirtschaft“ dürfte diese aufwendige Technik nicht spielen. Immerhin ist die CH4O-Speicherung nicht so aufwendig wie der Brennstoffzellen-Betrieb mit Wasserstoff (H₂). Das explosive Gas muß energieintensiv verdichtet und gekühlt werden. Auch der verstärkte Einsatz von Biokraftstoffen, wie ihn der Schweriner Agrarminister Till Backhaus (SPD) fordert, ist nicht nur aus Sicht von Klimaschützern „umweltpolitischer Unfug“, weil sie häufig aus Nahrungs- und Futterpflanzen wie Raps, Mais oder Getreide hergestellt werden.

Doppel-Axialrotor-Mähdrescher mit 775 PS Antriebsleistung

Ein kräftiger Traktormotor, der Methan (CH4) aus aufbereitetem Biogas verwendet, ist technisch möglich. Doch der Tank für verdichtetes CH4 (CNG) ist mehr als fünfmal so groß wie ein Dieseltank. Flüssiggas verlangt vakuumisolierte Tanks, und bei langen Standzeiten kann Gas entweichen. New Holland, die Traktorsparte des italienischen Konzerns CNH Industrial, präsentierte auf der Agritechnica 2023 in Hannover mit dem T7.270 LNG daher einen Gastraktor, der mit einem „Cryo-Cooler“ für den Doppelwandtank ausgerüstet ist und so das CH4 „unter minus 162 Grad und somit in flüssigem Zustand hält“. Die dafür erforderliche Energie sei „sehr gering und kommt aus einer Batterie“. Dies sei „die beste alternative Antriebstechnologie der Zukunft“, schwärmte New-Holland-Manager Carlo Lambro. Aber 1.160 Newtonmeter und 270 PS Leistung sind mit einem Dieselmodell viel billiger und zuverlässiger zu bekommen.

Auf der Agritechnica, wo nicht Klimaaktivisten, sondern einstweilen noch Praktiker dominieren, wurde daher auch eine ganz andere Neuheit mit dem goldenen „Innovation Award“ ausgezeichnet: der Doppel-Axialrotor-Mähdrescher CR11 mit einem kräftigen 16-Liter-Turbodieselmotor von FPT Industrial, der mit 775 PS zehnmal soviel wie der e-Fendt leisten kann. „Ertragsmenge, Strohreife und Hanglage werden dadurch zur Nebensache – diese Maschine wird spielend damit fertig“, verspricht deshalb der deutsche New-Holland-Vertrieb.

agriculture.newholland.com

 www.fendt.com