© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/24 / 12. Januar 2024

Mehr Geld für weniger Inhalt
Auswirkungen auf deutsche Produzenten: Der Konkurrenzkampf der Streamingdienste tobt
Gil Barkei

Anfang des Jahres gab Amazon Prime Video bekannt, ab Februar Werbung einzublenden. Wer ohne Unterbrechung streamen will, muß dann 2,99 zu den monatlichen 8,99 Euro zusätzlich zahlen. Disney+ plant ähnliches. Konkurrent Netflix schaltet schon seit längerem lästige Reklameclips im Basis-Abo für 4,99 Euro. Hinzu kommt eine Reduzierung der Endgeräte, die gleichzeitig im Abo auf die Inhalte zugreifen können. Parallel nehmen Serien zu, bei denen nicht alle Episoden auf einmal freigeschaltet werden, sondern nur jede Woche eine neue Folge erscheint. Erinnerungen an die längst vergangen geglaubten Zeiten des linearen Fernsehens werden wach – fehlt nur noch die Programmzeitschrift. 

Der Konkurrenzkampf im Streamingmarkt wird härter. Neben Amazon, Netflix und Disney+ buhlen Paramount+, AppleTV+ und mehrere kleinere Anbieter sowie Sub-Kanäle der großen Konzerne um die Zuschauer. Dieser blickt angesichts der ebenfalls auf den Plan getretenen Bezahlmodelle der großen Privatsendergruppen, RTL+ und Joyn, immer weniger durch. Zumal Pay-TV-Klassiker wie Sky neben MagentaTV und Vodafone in einigen Komplettpaketen Netflix und Co. bereits beinhalten und die Öffentlich-Rechtlichen den Streaming-Platzhirschen mit ihren Mediatheken Konkurrenz machen wollen.

Eine neue Filmförderung steht Anfang 2025 an

Kein Wunder, daß sich einige von Inflation und Preissteigerungen gebeutelte Kunden ihren Abo-Mix und mögliche Neuzugänge gut überlegen. Die Streaming-Anbieter wachsen längst nicht mehr so schnell wie im Stubenhockermodus der Corona-Jahre. Das läßt auch die Konzerne strenger kalkulieren. Netflix und Disney haben bereits angekündigt, deutlich weniger in teure, aber oft populäre Eigenproduktionen zu investieren. Nachdem man über Jahre viel in die Mitgliedergewinnung und entsprechende ambitionierte Blockbuster gesteckt hat, will man nun schwarze Zahlen sichern. Ein Nachteil: Erworbene Lizenzen laufen nach einer gewissen Zeit aus, einige „fremde“ Serien und Filme können wieder aus dem Portfolio verschwinden. Also insgesamt höhere Kosten für die Kunden bei weniger Angebot. Qualität statt Quantität versuchen das die Konzerne schön zu umschreiben, doch die „Originals“ gelten als Flaggschiffe der eigenen Qualität.

Seit Sommer 2023 werden nun Aufträge eingestampft. Sky vergibt vorerst gar keine neuen Projekte. Die deutsche Filmproduktionsbranche ist verunsichert. „56 Prozent der Unternehmen schätzen die wirtschaftliche Lage als schlecht oder sehr schlecht ein. Die Zahl hat sich gegenüber 2022 nahezu verdoppelt. Knapp jedes zweite Unternehmen verzeichnet Auftragsrückgänge, und die Umsatzerwartungen für 2024 sinken weiter“, bilanzierte der Chef der Allianz Deutscher Produzenten Film und Fernsehen, Björn Böhning, die Lage Ende vergangenen Jahres gegenüber der Süddeutschen Zeitung. „Vor allem die kleinen und mittelständischen Produktionsfirmen“ seien „wenig resilient und haben kaum ein Polster, um so eine Krise“ mit Inflation und steigenden Kosten für Kredite „abzuwenden“. Daher braue „sich ein schlimmer Sturm für die Produktionswirtschaft zusammen“, mahnt Böhning und fordert auch mit Blick auf Kino und TV umfassendere Förderbedingungen.

Das führt auch zu Spannungen mit der Politik. Für das kommende Jahr steht eine neue Filmförderung unter Federführung der grünen Kulturstaatsministerin Claudia Roth in der Spur, da die alte Regelung Ende 2024 ausläuft. Geplant ist unter anderem eine Investionsverpflichtung, die Fernsehsender und Streamingdienste zwingt, einen bestimmten Prozentsatz in die Produktion deutschsprachiger Inhalte zu investieren. Momentan werden hier 20 Prozent des Vorjahresnettoumsatzes für europäische und davon 75 Prozent für deutsche Inhalte diskutiert. Die Produzentenallianz begrüßt das Vorhaben.

Christoph Schneider, Chef von Amazon Prime Video für Deutschland und Österreich, spricht gegenüber der Welt dagegen von einem „politischen Irrweg“ sowie „massiven Eingriff in das Marktsegment“ und „unsere Programmhoheit“. Eine derartige Verpflichtung werde „im Gegensatz zu einer Anreizregulierung über Steuervorteile keinen einzigen weiteren Euro nach Deutschland bringen“, denn ein Produzent könne trotzdem „überall in Europa arbeiten und einen deutschsprachigen Titel produzieren“. Schneider warnt, ein solches Gesetz könnte die Streaminganbieter zudem per Quote dazu zwingen, bestimmte staatlich gewollte Inhalte umzusetzen.