© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/24 / 12. Januar 2024

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Grüppchenbildung
Paul Rosen

Spätestens mit der Kandidatur der neuen Partei von Sahra Wagenknecht zum Europäischen Parlament hätte der Linksfraktion im Bundestag die Zwangsauflösung gedroht. Der kam die Fraktion mit ihrer Selbstauflösung im Dezember zuvor. Denn die Geschäftsordnung des Bundestages legt fest, daß sich eine Fraktion nur dann aus Mitgliedern verschiedener Parteien zusammensetzen darf, wenn diese in keinem Bundesland gegeneinander antreten. Somit können CDU und CSU so lange eine gemeinsame Fraktion bilden, wie sie nirgendwo gegeneinander antreten.

Derzeit werden die 38 Abgeordneten der ehemaligen Linksfraktion als fraktionslos geführt. Damit bekommen sie in Debatten zwar keine Redezeiten mehr wie die anderen Fraktionen zugeteilt, aber die fraktionslosen Abgeordneten können sich dennoch zu jedem Tagesordnungspunkt einzeln melden und reden. In der letzten Sitzungswoche des Jahres 2023 fiel aber eine stark nachlassende Präsenz und Beteiligung von Abgeordneten der früheren Fraktion auf.

An den Sitzungen der Bundestagsausschüsse können fraktionslose Abgeordnete beratend und ohne Stimmrecht teilnehmen. Die von den Linken gestellten Vorsitzenden der Ausschüsse wie zum Beispiel Klaus Ernst (Energie) verloren ihre Ämter. Einzig Vizepräsidentin Petra Pau bleibt im Amt, weil sie für die Dauer einer Legislaturperiode gewählt ist. Dies führt zu der merkwürdigen Situation, daß der AfD ein Vizepräsident von der Mehrheit verweigert wird, obwohl laut Geschäftsordnung jeder Fraktion ein Vizepräsident zusteht, während Pau – ohne Frakion – im Präsidium sitzt. 

Sowohl die Rest-Linke als auch das neue „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) haben angekündigt, daß sich ihre Mitglieder als „Gruppe“ im Bundestag konstituieren werden, um mehr Rechte im parlamentarischen Betrieb zu erhalten. Das ist nicht neu. Schon in der 12. und 13. Legislaturperiode gab es mit Bündnis 90/Die Grünen und der Linken-Vorgängerin PDS Gruppen im Bundestag, da deren Größe nicht zur Bildung einer Fraktion (mindestens fünf Prozent aller Abgeordneten) ausreichte. Welche Rechte den Gruppen zustehen, ist jedoch in der Geschäftsordnung nicht festgelegt. Die Details muß das Plenum kommende Woche beschließen. Dazu gehören Regelungen zur Finanzierung und Ausstattung der Gruppen, zur Mitgliedschaft im Ältestenrat und Ausschüssen, zur Stellung von Anträgen, Kleinen und Großen Anfragen sowie zum Beantragen von Debatten und aktuellen Stunden. Die Teilnahme an Sitzungen von Unterausschüssen hatte sich die damalige PDS-Gruppe vor dem Verfassungsgericht erstritten.

Ungeklärt ist bisher auch, wo die Mitglieder der Gruppen im Plenarsaal sitzen werden. Aus der Union gibt es Bestrebungen, die Gruppe Wagenknecht zwischen ihren Reihen und der AfD zu plazieren. Dann würden Wagenknecht und Alice Weidel (AfD) oder Beatrix von Storch (AfD) nebeneinander sitzen. Allerdings muß die Ampel-Mehrheit einer neuen Sitzordnung zustimmen.