© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/24 / 12. Januar 2024

Ländersache: Berlin
Herzblattgeschichte im Roten Rathaus
Peter Möller

Kann denn Liebe Sünde sein? Mit dieser angesichts der aufgewühlten politischen Stimmung im Lande vergleichsweise profanen Frage muß sich dieser Tage die Berliner Landespolitik beschäftigen. Denn Kai liebt Katharina. Seit der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) in der vergangenen Woche eingeräumt hat, „seit Herbst“ ein Verhältnis mit seiner Parteifreundin und Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch zu haben, kennt die Hauptstadt nur noch ein Thema. Gerüchte, daß da mehr läuft zwischen dem „Regierenden“ und seiner Schulsenatorin, waberten bereits seit Wochen durch die Stadt, erst recht nachdem Wegner zum Jahreswechsel die Trennung von seiner Lebensgefährtin bekannt gab, mit der er zwei kleine Kinder hat und für die er vor einigen Jahren seine Ehefrau verlassen hatte.

Nun stellt sich nicht nur die politische Konkurrenz in Berlin die Frage: Dürfen die das überhaupt? Denn die Liebesbeziehung zwischen dem Regierenden Bürgermeister und einem Mitglied seines Senates birgt Konfliktpotential und wäre in dieser Konstellation in einem Wirtschaftsunternehmen kaum denkbar. Kann Wegner überhaupt noch unvoreingenommen entscheiden, wenn es beispielsweise zwischen dem Finanzsenator und der Bildungssenatorin zu politischen Differenzen kommt? 

Und noch eine Frage steht im Raum: Ist der Regierende Bürgermeister tatsächlich erst seit Herbst vergangenen Jahres mit Günther-Wünsch liiert? Oder hat seine Zuneigung zu der 42jährigen im Frühjahr vergangenen Jahres bereits seine Entscheidung beeinflußt, sie zur Senatorin zu machen? Denn nach Informationen des Nachrichtenportals Business Insider wurde in der Berliner CDU bereits Anfang 2023 über ein mögliches Verhältnis zwischen Wegner und Günther-Wünsch getuschelt. Demnach soll der spätere Regierende Bürgermeister bereits vor seiner Wahl intime Handynachrichten mit der späteren Senatorin ausgetauscht haben. Hat Wegner also möglicherweise seine Geliebte zur Senatorin gemacht?

Nicht nur die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus, sondern auch der Koalitionspartner SPD wünscht sich in jedem Fall Klarheit in der vertrackten Beziehung. Wegners Amtsvorgängerin und jetzige Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey forderte von ihrem Nachfolger klare Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten im Senat. „Jetzt geht es darum, Rechtsklarheit zu schaffen und konkrete Vorgehensweisen für die strikte Trennung von privaten und beruflichen Interessen festzulegen – vor allem für den Konfliktfall“, sagte Giffey.

Zumindest die Bürger scheinen die Frage indes relativ gelassen zu sehen. Eine Mehrheit der befragten Berliner sieht kein Problem in dem Verhältnis der beiden. Laut einer nicht repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für die Berliner Morgenpost sehen 55 Prozent der Berliner in dem Verhältnis der beiden Spitzenpolitiker kein Problem. Immerhin 33 Prozent der 609 befragten Berliner halten die Beziehung für inakzeptabel. Der Rest weiß anscheinend noch nicht, was er von der ganzen Sache halten soll – oder hat derzeit wichtigere Probleme.