© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/24 / 12. Januar 2024

Joachim Rukwied. Der Präsident des Deutschen Bauernverbands war lange still – jetzt führt er Proteste wieder an.
Rukwieds Rückkehr
Holger Douglas

Wir nehmen das nicht hin!“ Kräftig legte Bauernpräsident Joachim Rukwied bereits bei der Demonstration am 18. Dezember in Berlin los: Wenn die Ampel die Kürzungen nicht streiche, würden die Landwirte für einen heißen Januar sorgen – gesagt, getan (siehe Bericht Seite 7).

Dabei zuckten viele bei Rukwieds heftigen Worten zusammen. Lange hatte man so etwas von ihm nicht mehr gehört. „Der kann ja doch laut“, dachten manche verwundert, „einstudiert“ und „das mußte er so sagen“, meinten andere, sonst hätten ihm seine Bauern die Gefolgschaft verwehrt. Denn bei deren Protesten 2019 und 2020 war Rukwied still geblieben: Damals war Julia Klöckner von der verbündeten CDU Landwirtschaftsministerin. Sie galt es also zu schützen.

So entstanden (und zerfielen auch wieder) neben dem traditionellen Deutschen Bauernverband (DBV) unabhängige Organisationen, wie „Land schafft Verbindung“ (JF berichtete). Zudem bringen heute per Youtube bäuerliche Influencer wie Anthony Lee (JF 22/23) oder Christian Lohmeyer, die ein Millionenpublikum erreichen, der Allgemeinheit die Landwirtschaft nahe.

Früher wagte die Politik dem DBV kaum zu widersprechen. Heute ist selbst der für die linksgrüne „Transformation“. 

Dagegen wirkt Funktionär Rukwied wie der angestaubte Opa, der sonntags zum Nachmittagskaffee aufwartet. Doch sieht sich der Präsident des Dachverbands sturen Mitgliedsverbänden gegenüber, will wiedergewählt werden, muß Mehrheiten organisieren und dafür mit vielen reden. Diese Rolle ist dem fränkischen Schwaben fast wie auf den Leib geschneidert. Geboren 1961 in Heilbronn am Neckar, führt der Agrarökonom und Diplom-Ingenieur erfolgreich den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern im nahen Eberstadt. Als Präsident schaffte er zuerst die Milchviehhaltung ab, die den Bauern eng an den Hof band. Das verschaffte dem CDU-Mitglied Rückhalt für eine politische Karriere, zuerst in lokalen und regionalen Ämtern, dann in Bauernverbänden, bis er 2012 das Präsidium des DBV übernahm.

Früher waren die Präsidenten seiner 18 Gliedverbände mächtige Männer, die einen Großteil der bei Gründung des Dachverbands 1948 circa fünf Millionen westdeutschen Bauern hinter sich versammelten. Rief etwa ein Edmund Rehwinkel (Präsident von 1959 bis 1969), legten Trecker die Bundeshauptstadt Bonn oder Brüssel lahm, während die Politik kaum zu widersprechen wagte.

Doch vorbei, die verbliebenen 250.000 Bauernhöfe bilden keine relevante Machtbasis mehr. Vorbei auch die Zeit der engen Verbindung zum Landwirtschaftsministerium: Heute sitzen dort drei dunkelgrüne Staatssekretärinnen, die Minister Özdemir vor sich hertreiben. Und selbst der DBV-Präsident betont mittlerweile, die „Transformation“ der Landwirtschaft zu unterstützen, also das links-grüne Umkrempeln auch des Agrarwesens. Dazu paßt Rukwieds jüngste Distanzierung „von Schwachköpfen mit Umsturzphantasien, Radikalen und Spinnern“, wie er brav verkündete, obwohl die Zahl der „Trittbrettfahrer“ nicht größer zu sein scheint als bei jedem anderen politischen Protest. Treffend dagegen sein Appell gegen EU-Flächenstillegungen, die die Lebensmittelproduktion reduzieren. Sollte in einer künftigen Krise je die Ernährungssicherheit in Gefahr sein, haben Rukwied und die deutschen Bauern davor gewarnt.