Hand aufs Herz: Haben Sie sich auch im frisch gestarteten Jahr wieder vorgenommen, endlich mit dem Rauchen aufzuhören, weniger Alkohol zu trinken und sich mehr zu bewegen? Mit realistischeren Vorsätzen kommt man eher zum Erfolgserlebnis. Wie wäre es zum Beispiel damit, „nachhaltiger“ zu werden? Damit liegt man voll im Trend und rettet den Planeten – und kann vielleicht Geld sparen; auch so ein Vorsatz.
Spaß beiseite, bei Kleidungsstücken kann die Verlängerung der Lebensdauer nicht schaden. Wo Oma noch Strümpfe stopfte, wandern diese heute einfach in den Müll. Socken oder T-Shirts sind beinahe zu Einwegartikeln geworden. Solche Auswüchse der Konsumkultur muß man als Konservativer natürlich kritisieren. Und ihnen konstruktiv und kreativ begegnen – ab jetzt wird wieder gestopft!
Eine Reparaturerfindung geht auf Konrad Adenauer zurück
Ein Hamburger Forschungsinstitut fand bei einer Umfrage unter 18- bis 69jährigen heraus, daß rund ein Fünftel des Kleiderschrankinhaltes so gut wie nie getragen wird. Durchschnittlich besaßen die Befragten zwischen 50 und hundert Kleidungsstücke (ohne Unterwäsche), die meisten davon Oberbekleidung. Spätestens nach drei Jahren wird mehr als die Hälfte weggeschmissen – die meisten Stücke wegen Verschleiß wie Löchern oder weil sie nicht mehr der aktuellen Mode entsprechen.
Rund die Hälfte gab an, kaputte Kleidung noch niemals selbst repariert zu haben. Auch Schuhe landen bei gut 50 Prozent in der Mülltonne statt beim Schuster. Frauen schneiden dabei etwas verantwortungsvoller ab, dafür besitzen sie deutlich mehr Kleidung als Männer. Allerdings kaufen Frauen auch öfter Gebrauchtkleidung. Jugendliche sind gegenüber Secondhand-Mode bedeutend skeptischer als Erwachsene. Schizophren: Obwohl in der Studie die Mehrheit der Probanden einen Niedrigpreis als wichtigstes Kaufargument nennt, wünschen sich ebenso viele ein Siegel für nachhaltige Fertigung.
Und trotzdem scheint es eine Gegenbewegung zu geben. Youtube ist voll mit Tutorial-Beiträgen zum Stopfen. Socken, Jeans und sogar Kaschmir-Pullis und Kamelhaarmäntel werden hier in Schritt-für-Schritt-Anleitungen repariert. Ein Nutzer schreibt in seinem Kommentar: „Habe mit 21 Jahren gerade meine erste Socke gestopft und bin recht happy mit dem Ergebnis“. Andere haben noch Schwierigkeiten. Felix kommentiert: „Das Video hat mir geholfen. Aber wie wird am Anfang der Faden nach dem Einfädeln in das Ör an der Nadel befestigt – mit einem einfachen Knoten?“ Die Nutzergemeinschaft weiß Hilfe: Gar nicht. Videos wie „Tolle Möglichkeit, Löcher in Pullovern spurlos zu reparieren, für Anfänger“ erreichen mehrere Millionen Aufrufe.
Also los! Warum die Ausbesserung nicht mit dem Frühjahrsputz verbinden? Es geht ganz leicht: Alles, was man benötigt, sind Garn, Stopfnadel, Schere und ein Stopfei oder Stopfpilz. Ein besonderer „Lifehack“ beim Stopfen geht übrigens auf den ersten Bundeskanzler der Bonner Republik zurück: Konrad Adenauer war enthusiastischer Hobby-Erfinder. Neben einer veganen Soja-Wurst erfand er auch ein elektrisch beleuchtetes Stopf-Ei, das „Hausfrauen die Ausbesserung von Geweben“ erleichtern sollte, wie Adenauer im Patentantrag schrieb.
Wer zu faul oder ungeschickt zum Nähen ist, kann auch einfach Flicken aufbügeln, das geht kinderleicht. Bei Kinderkleidung sind Motivflicken eine ideale Lösung. Wer nicht einmal ein Bügeleisen bedienen kann, greift einfach zum Trick mit dem erhitzten Topfboden. Wer selbst repariert, gewinnt ein Erfolgserlebnis und mehr Wertschätzung gegenüber Kleidung. In Frankreich gibt es neuerdings sogar einen staatlichen Förderbonus für die Reparatur beim Schneider oder Schuster: Je nach Aufwand erhalten die Kunden einen Rabatt von sechs bis 25 Euro, den sich die Werkstatt aus einem Fonds auszahlen lassen kann.
Markenkult, Billig-Kollektionen im Wochenrhythmus beim Discounter, Hemden, die kaum länger getragen werden als eine Einkaufstüte – all das ist sicher nicht im Sinne der Schöpfung. Also besser stopfen statt wegwerfen. Nehmen Sie sich ein Beispiel an unserer weisen Regierung: Die kann sogar Milliardenlöcher stopfen.