Nato-Osterweiterung. Haben die US-Amerikaner den Russen wirklich garantiert, die Nato nicht ostwärts auszudehnen? Um diese Frage zu klären, wertete Mary Elise Sarotte (Johns Hopkins University) die Quellen zu den Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen zur deutschen Wiedervereinigung und auch die (bis 2018 gesperrten) Protokolle aller Treffen zwischen Bill Clinton und Boris Jelzin aus, bei denen es um die Vergrößerung der Nato unter Einbeziehung der Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes ging. Daraus destilliert die bestens mit den regierungsberatenden Thinktanks Washingtons vernetzte Historikerin ihre wenig überraschende These, daß Putin „Geschichtsklitterung“ betreibe und einen „Mythos“ in die Welt setze, wenn er von einer Selbstverpflichtung der Nato rede, die alten Grenzlinien des Kalten Krieges nicht überschreiten zu wollen. Es habe Anfang 1990 nur die hypothetische Idee gegeben, den Russen zu versprechen, nicht über die Oder hinaus zu expandieren. Allein der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher sah darin eine realistische Perspektive und habe dies gegenüber Moskauer Diplomaten auch kommuniziert. US-Präsident George W. H. Bush ließ jedoch dem Bonner Auswärtigen Amt bald mitteilen, die Deutschen sollten diese Idee vergessen. Unbeabsichtigt fördert Sarotte damit zutage, was nicht einmal Putin vorträgt: Die Nato-Führungsmacht USA schlug seit 1990 einen Konfrontationskurs in Osteuropa ein, um die geopolitischen Gewichte zu Lasten Rußlands zu verschieben. (ob)
Mary Elise Sarotte: Nicht einen Schritt weiter nach Osten. Amerika, Rußland und die wahre Geschichte der Nato-Osterweiterung. Verlag C. H. Beck, München 2023, gebunden, 397 Seiten, 28 Euro
Volksfrömmigkeit. Ist sie ein alter Zopf oder eine verkannte Chance? Mitte Juni 2023 befaßte sich im Augustinianum in Rom ein Symposium mit dieser Frage, dessen Vorträge nun dokumentiert werden. Spielt sie für die große Krise der Kirche überhaupt noch eine Rolle, und ist sie für heutige Christen noch wichtig, um im säkularen Staat und einer zunehmend entchristlichten Gesellschaft authentisch leben zu können? Welche Bedeutung für die dringend notwendige Erneuerung der Kirche in einer „Diktatur des Relativismus“ (Benedikt XVI.) hat sie im Sinne eines traditionsbewußten Christentums? Diesen relevanten Fragen, deren Evidenz den allermeisten „Taufscheinchristen“ gar nicht bewußt ist, widmen sich neben Altöttings Stadtpfarrer Klaus Metzl, Weihbischof Florian Wörner, der Herausgeber Ralph Weimann (Päpstliche Universität vom Heiligen Thomas von Aquin (Angelicum), und nicht zuletzt der Zisterzienser Karl Wallner, Professor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz. (W.O.)
Ralph Weimann (Hrsg.): Volksfrömmigkeit – alter Zopf oder verkannte Chance? Fe-Medienverlag, Kisslegg 2023, broschiert, 104 Seiten, 6,95 Euro