© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/24 / 05. Januar 2024

CD-Kritik: Andreas Romberg – Schiller-Gedicht
Eins auf die Glocke
Jens Knorr

Es war Bildungsgut und Zitatenkiste des deutschen Bürgertums, das meistparodierte Gedicht der deutschen Klassik und allein darum schon ein Klassiker. Waren die Jenaer Romantiker, so Caroline Schlegel an ihre Tochter, bei dessen Lesung „fast von den Stühlen gefallen vor Lachen“, so galt es Wilhelm von Humboldt als eines der Kunstwerke, die er „Nordische“ nennen gemöchtet hatte: Friedrich Schillers „Lied von der Glocke“.

Vor Max Bruch hatte bereits Andreas Romberg (1767–1821) das Gedicht vertont. Leichtgewichtig der musikalische Satz und wenig aufwendig die Orchestrierung, wurde Rombergs 1809 uraufgeführte Kantate bis in das 20. Jahrhundert hinein von Gesangsvereinen häufig aufgeführt. Sollte die Vertonung des Späteren mit wilhelminisch-pompöser Attitüde auftrumpfen, durchzieht die des Früheren viel mehr von dem Geist des Wohlgemeinten. Und machen Chor- und Orchester-Satz doch mal Anstalten, von der Liedertafel aufzustehen, die Verlockungen und Fährnisse der Welt in die Musik hineinzunehmen, fangen sie die Strophen des Glockengießermeisters gleich wieder ein und brechen sie auf bürgerliches Maß zurück.

In der Aufnahme von 1982 unter Guido Knüsel gibt Baßbariton Karl Ridderbusch dem Glockengießermeister – ganz in Schillers Sinne – jenen kräftigen biederen Charakter, der das Ganze trägt und zusammenhält. Obwohl die Partie für den „vaterländischen Belcantisten“ sehr spät kommt, bleibt er der zentrale Sänger dieser redlichen Einspielung. Man höre sie, ohne vor Lachen vom Stuhl zu fallen.

Andreas Romberg Das Lied von der Glocke Profil Edition Günter Hänssler 2023

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