© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/24 / 05. Januar 2024

„Wir gewinnen an Boden“
Interview: Die stellvertretende Vorsitzende der Dänischen Volkspartei will ihre Partei retten
Curd-Torsten Weick

Sehr geehrte Frau Birkholm, als Stellvertretende Vorsitzende der Dänischen Volkspartei haben Sie Ende vergangenen Jahres in Florenz am Treffen der rechten EU-Fraktion Identität und Demokratie (ID) teilgenommen. Wie war die Stimmung?

Majbritt Birkholm: Die Stimmung war wirklich gut. Der rechte Flügel in Europa hat Rückenwind, und die ID wird bei den nächsten Wahlen deutliche Fortschritte machen. Darüber freuen wir uns natürlich sehr.

Als Ziel formulierte Lega-Chef Matteo Salvini die Formierung eines Mitte-Rechts-Blocks im EU-Parlament nach der EU-Wahl 2024. Könnte es gelingen?

Birkholm: Das ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen, da die Bildung einer solchen Gruppierung von vielen verschiedenen Überlegungen und Interessen abhängt. Das wahrscheinlichste Szenario scheint zu sein, daß die ID, die rechtskonservative EKR und die liberalkonservative EVP in etwa in der gleichen Form wie heute bestehen werden – natürlich mit anderen Ländern und Politikern.

Dänemark wird seit einem Jahr erstmals blockübergreifend von den Sozialdemokraten, der liberal-konservativen Partei Venstre und den liberalen Moderaten regiert. Hakt es hier wie bei der Ampelkoalition in Deutschland?

Birkholm: Ich kenne die deutsche Politik nicht gut genug, um eine vollständige Antwort zu geben, aber in Dänemark ist die Regierung der Mitte extrem unpopulär und voller Probleme. 

Mette Frederiksen, die Chefin der Sozialdemokraten, steht deutschen Medien zufolge für die strengste Einwanderungs- und Asylpolitik in Europa. Wie ist die Realität? Kommen nun weniger Migranten nach Dänemark?

Birkholm: Die Einwanderungspolitik von Mette Frederiksen ist nicht die strengste in Europa – dieser Preis geht wahrscheinlich an Ungarn und Polen. Allerdings ist die dänische Einwanderungspolitik strenger als die vieler anderer europäischer Länder, was vor allem auf den Einfluß der Dänischen Volkspartei zurückzuführen ist. In den vergangenen Jahren, seit der Migrantenkrise im Jahr 2015, sind jedes Jahr etwa 3.000 Migranten nach Dänemark gekommen. 

Werden mehr illegale Migranten abgeschoben?

Birkholm: Einige schon, aber einige bleiben auch in Ausreisezentren. Dänemark nimmt jedoch nicht viele illegale Migranten auf, und von denjenigen, die sich illegal in Dänemark aufhalten, kennen die Behörden einen Großteil nicht, so daß es schwierig ist, sich einen Überblick zu verschaffen.

2018 verabschiedete die damalige konservativ-rechtsliberale Regierung (Blauer Block) das sogenannte Ghetto-Gesetzespaket. War es erfolgreich?

Birkholm: Das Ghetto-Gesetzespaket gab den Behörden einige Instrumente an die Hand, die bei der Bewältigung bestimmter Probleme, einschließlich der Kriminalität, wahrscheinlich nützlich waren.  Im Großen und Ganzen hat es jedoch nichts an den Problemen mit den Ausländer geändert.

Während Rechtsparteien in der EU im Aufwind sind, scheint dies bei der Dänischen Volkspartei noch nicht der Fall zu sein. Woran liegt es?

Birkholm: Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Erstens hat die Dänische Volkspartei kein Monopol mehr auf einwanderungskritische Wähler. Zwei neue rechtsgerichtete Parteien wurden gegründet (Nye Borgerlige und Danmarksdemokraterne), und die etablierten Parteien haben die Rhetorik der Dänischen Volkspartei zugunsten einer einwanderungskritischen Politik weitgehend übernommen.   Gleichzeitig wurde die Dänische Volkspartei von internen Spannungen und Konflikten sowie einer zermürbenden Wahl der Parteiführung geplagt. Das Blatt hat sich jedoch gewendet, und wir gewinnen in den Umfragen an Boden.

Wie bereits von Ihnen erwähnt, gibt es rechts der Mitte mit Pernille Vermunds Neuen Bürgerlichen (Nye Borgerlige) und Inger Støjbergs neuen Dänemark-Demokraten (Danmarksdemokraterne) zwei weitere Parteien. Gibt es Schnittpunkte? Wo liegen die Unterschiede?

Birkholm: Nye Borgerlige ist wirtschaftlich liberaler, aber ansonsten sehr vergleichbar mit der Dänischen Volkspartei. Die Dänemark Demokraten sind eine liberale Mitte-Rechts-Partei, die politisch nicht besonders mit der DF vergleichbar ist, außer daß es erhebliche Überschneidungen in der Wählerschaft gibt, wenn es um die Ausländerpolitik geht.  Doch Støjberg gibt sich ausländerfeindlicher, als sie tatsächlich ist.

Wie ist die Zusammenarbeit mit der Konservativen Volkspartei (DKF), die ja in der EVP-Fraktion ist?

Birkholm: Im allgemeinen ist die Zusammenarbeit im blauen Block sehr gut – einschließlich der Zusammenarbeit zwischen der Dänischen Volkspartei und der Konservativen Volkspartei. 

Welche Themen wird die DF im Europawahlkampf ansprechen? Was ist für die Dänen wichtig?

Birkholm: Die Hauptthemen der Dänischen Volkspartei bei den Europawahlen vom 6. bis 9. Juni 2024 werden die Migration und die EU-Erweiterung sein.





Majbritt Birkholm und die Dänische Volkspartei (DF)

Majbritt Birkholm trat 2012 der rechten Dänischen Volkspartei (DF) bei. Zuvor hatte sich die Mutter eines Sohnes mit 18 Jahren als Lebensmittelhändlerin selbständig gemacht. Nach Angaben der Wochenzeitung Ugeavisen verlor sie das Interesse an ihrem Beruf, nachdem sie einige Wochen vor dem Geburtstermin ihr zweites Kind verloren hatte. Der Traum, Polizeibeamtin zu werden, wurde daher „zum nächsten Kapitel ihres Lebens“. Der DF-Vorsitzende Morten Messerschmidt erklärte damals, daß er auf Birkholm durch ihren Hintergrund als Polizeibeamtin aufmerksam geworden sei. Die 42jährige arbeitete als Ermittlerin in einer Sondereinheit für Schwerkriminalität. 2022 kandidierte sie erstmals bei den Parlamentswahlen im Wahlkreis Westjütland. Mitte April 2023 wählte der DF-Parteivorstand Birkholm, deren Motto auf X heißt: „Ehrlichkeit, Anstand und echtes Westjütland!“, zur stellvertretenden Parteivorsitzenden. Sie sieht es als ihre Aufgabe, die DF aus der Negativspirale zu befreien, in der sich die Partei seit langem befindet. Nach dem Rücktritt ihrer charismatischen Vorsitzenden Pia Kjærsgaard (1995 bis 2012) vom Parteivorsitz verlor die DF erheblich an Zustimmung. Erzielte sie bei den Folketingswahlen 2015 einen Spitzenwert von 21,1 Prozent (37 Sitze), fiel sie 2019 auf 8,7 (16 Sitze) und 2022 auf 2,6 Prozent (fünf Sitze). Jüngsten Umfragen zufolge liegt die DF nun bei vier Prozent. Die rechten bis rechtsliberalen  Parteien Neue Bürgerliche (Nye Borgerlige) und Inger Støjbergs  neue Dänemark-Demokraten (Danmarksdemokraterne) liegen bei drei respektive neun Prozent. (ctw)