© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/24 / 05. Januar 2024

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Präsidialer Umzug
Christian Vollradt

Auch im neuen Jahr gilt für unsere Regierenden in Berlin: Wir müssen sparen – aber nicht bei uns selbst. Dabei geht das Staatsoberhaupt mit gutem, also schlechtem, Beispiel voran. Für rund 205 Millionen Euro – es könnten auch wie üblich noch mehr werden – entsteht im Berliner Regierungsviertel ein neues Gebäude, in das der Bundespräsident mitsamt seinen Mitarbeitern in zwei Jahren einziehen soll. Allerdings nur vorübergehend; als Mieter für die Dauer von fünf Jahren. 

Begründet wird dieses nicht gerade günstige Provisorium mit dem dringenden Sanierungsbedarf im eigentlichen Amtssitz. So muß nicht nur Schloß Bellevue renoviert werden. Die neoklassizistische zweigeschossige Dreiflügelanlage ist zwar nicht mehr das Original, das 1786 als private Residenz für Ferdinand von Preußen, den jüngsten Bruder Friedrichs des Großen, gebaut wurde, sondern bis auf wenige Ausnahmen eine rekonstruierte Version aus dem Jahr 1959, hat also auch schon bald 65 Jahre auf dem Buckel. Doch auch das danebenstehende Bundespräsidialamt, ein elliptisches Gebäudes mit polierter schwarzer Granitfassade und großem Glasdach, ist bereits 25 Jahre nach seiner Errichtung ein Fall für die Sanierer. 

Diese Zwischenlösung empfinden nicht alle als passende Lösung: „In Anbetracht der enormen Finanznöte des Bundes zeigt dieser Eifer abermals keinen souveränen Umgang mit Steuergeld“, monierte der Bund der Steuerzahler. Das Bundespräsidialamt indes entgegnete, man habe durchaus andere Objekte geprüft, die jedoch den hohen Sicherheitsanforderungen nicht entsprochen hätten. Außerdem sei der Berliner Immobilienmarkt enorm angespannt, sogar wenn es um Bürogebäude gehe. 

Also entschied man sich für den Neubau des Architekturbüros Sauerbruch Hutton, der bis zum Sommer kommenden Jahres fertig sein soll, damit ab Anfang 2026 der Bundespräsident und das Bun despräsidialamt einziehen können. Sollten sich die Renovierungsarbeiten in den derzeitigen präsidialen Liegenschaften noch länger hinziehen, könnte Steinmeier oder wer auch immer ihm dann nachfolgt, das Provisorium auch noch weitere Zeit nutzen. Anschließend soll das Gebäude dann eine andere, bis jetzt noch nicht feststehende Bundesbehörde beherbergen. Vielleicht meldet die Regierungszentrale ja Bedarf an; sollte der vis-a-vis entstehende Neubau des Bundeskanzleramts, der nach derzeitigem Stand 800 Millionen Euro aus dem Steuersäckel verschlingen wird, womöglich nicht mehr ausreichen. 

Übrigens hat der Bundespräsident ohnehin schon einen zweiten Amtssitz: die Villa Hammerschmidt in Bonn, die von 1950 bis zum Umzug nach Bellevue 1994 erste präsidiale Adresse war. Der Unterhalt der 1860 erbauten Villa, die von Haushälterinnen und Gärtner stets empfangsbereit gehalten wird, kostet pro Jahr eine sechsstellige Summe.

Stimmt eine im Internet veröffentlichte Aufzählung, so nutzte Frank-Walter Steinmeier die Villa Hammerschmidt seit Beginn seiner ersten Amtszeit 2017 in offizieller Funktion insgesamt 13 Tage.