© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/24 / 05. Januar 2024

Links liegt nicht so im Trend
Deutschland Mitte-Rechts: Ein Jahr lang haben die Meinungsforscher von Insa exklusiv für die junge freiheit die Beliebtheit ausgewählter Politiker im bürgerlichen Milieu erforscht
Henning Hoffgaard

Abgerechnet wird am Schluß. Auch mit Politikern und ihren Beliebtheitswerten. Nachdem die JUNGE FREIHEIT im Januar 2023 erstmals mit der Insa-Befragung „Deutschland Mitte-Rechts“ die Sympathiepunkte ausgewählter Politiker abfragte, liegt nun die Endauswertung für den Dezember vor. Welcher Politiker konnte also im vergangenen Jahr insgesamt punkten – und welcher nicht? Wer sind die großen Gewinner und Verlierer?

Zumindest letzteres läßt sich ziemlich eindeutig sagen: Sahra Wagenknecht. Das nicht nur für sie bewegte Jahr hat auch deutliche Spuren in den Beliebtheitswerten hinterlassen. Monatelang wurde spekuliert, ob sie eine Partei gründet. Und selbst jetzt, da die Partei kommende Woche gegründet werden soll, weiß man noch nicht so recht, welche Rolle Wagenknecht dann auch offiziell spielen wird. Ob man außer bei der im Juni antsehenden Wahl zum EU-Parlament auch bei den ostdeutschen Landtagswahlen antreten wird, ist für das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ auch noch nicht klar. Viel Lärm um nichts?

Zahl derer wächst, die sich selbst „rechts der Mitte“ verorten 

Goutiert haben die Wähler das offenbar nicht. Denn: Kein anderer Politiker hat bei den Mitte-Rechts-Wählern – also Anhängern von Union, AfD und FDP – so stark verloren wie die 54jährige. Lag Wagenknecht im Januar noch bei 45,2 von einhundert möglichen Punkten, sind es nun nur noch 41 Punkte. Gestartet auf dem dritten Platz, rutschte die Bundestagsabgeordnete in der Rangliste immer weiter ab. Am Ende reicht es noch zu Platz acht. 

Besonders bei einer Wählergruppe muß Wagenknecht Federn lassen. Ausgerechnet bei jener, auf die auch sie ein Auge geworfen hat: den Anhängern der AfD. Bei diesen stand sie vor zwölf Monaten sogar noch vor Parteichef Tino Chrupalla auf Platz zwei. Nun steht der Talkshow-Liebling zwar immer noch auf Platz drei – hinter Alice Weidel und Chrupalla –, allerdings mit deutlich weniger Punkten. Waren es im Januar 2023 noch 61,1 Punkte, sind es jetzt nur noch 49,6 Punkte. Von den abgefragten AfD-Politikern liegt sie damit nur noch vor Björn Höcke, der mit 46 Punkten auf Platz vier unter den AfD-Anhängern liegt. Auch bei den Anhängern der Linkspartei sieht es schlecht aus. Aus 64,3 Punkten wurden 56,6. Insgesamt muß Wagenknecht durch die Bank unter allen Wählergruppen Verluste verkraften. 

Große Gewinnerin ist eine andere Politikerin. AfD-Chefin Alice Weidel konnte ihre Sympathiewerte bei den Mitte-Rechts-Wählern deutlich steigern. Gestartet auf Platz 7 reicht es nun für einen Platz auf dem Treppchen hinter CSU-Chef Markus Söder und dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz. Aus 42,6 Punkten wurden 46,7. Allerdings erhöhte sich das Gewicht der AfD-Anhänger innerhalb dieser Wählergruppe auch durch die steigenden Umfragewerte der Partei (von 15 Prozent im Januar 2023 auf 23 Prozent im Dezember). Bei den AfD-Anhängern blieb Weidel mit rund 72 Punkten konstant. Zum Vergleich: Söder und Merz liegen bei den Unions-Wählern bei 66,4 und 59,6 Punkten. 

Auffallend ist, daß die drei abgefragten AfD-Politiker bei allen anderen Parteianhängern extrem unbeliebt sind. Björn Höcke belegt durchgehend den letzten Platz hinter Weidel und Chrupalla. Nur bei den FDP-Wählern schiebt sich der Sachse noch knapp vor Wagenknecht. Ein schweres Jahr liegt auch hinter FDP-Chef Christian Lindner und seinem Vize Wolfgang Kubicki. Gestartet auf den soliden Plätzen fünf und sechs, liegen die beiden bei den Mitte-Rechts-Wählern nur noch auf dem dritt- und vorletzten Platz. Lindner verliert ganze 4,6 Punkte und Kubicki 3,7. Insbesondere bei Anhängern von CDU und CSU müssen die beiden Punkte abgeben. Der Einbruch dürfte allerdings auch daran liegen, daß mit den sinkenden Umfragewerten der Liberalen auch das prozentuale Gewicht ihrer Wähler abnimmt. Machten unter den Mitte-Rechts-Wählern im Januar vergangenen Jahres noch 15,2 Prozent ihr Kreuz bei der FDP, lag dieser Wert am Ende des Jahres bei nur noch rund acht Prozent. 

Neben der Abfrage der Parteipräferenzen ermittelt Insa für die junge freiheit auch immer die Selbstverortung der Wähler. Und in diese ist ordentlich Bewegung gekommen. Waren im Januar 2023 noch 30 Prozent der Bürger der Meinung, sie selbst seien „links der Mitte“, sind es jetzt noch 28. Im Gegenzug stieg die Zahl der Befragten, die sich „rechts der Mitte“ sehen, von 22 auf 26 Prozent. In der Mitte verorten sich derzeit 37 Prozent, zu Beginn des Jahres waren es noch 26 Prozent. Der Rest der Umfrageteilnehmer wollte dazu keine Angaben machen.

Nun sind Beliebtheitswerte von Politikern das eine, Wahlergebnisse aber oft etwas ganz anderes. In Sachsen etwa kann Ministerpräsident Michael Kretschmer auf hohe Zufriedenheitswerte blicken, doch seine Partei profitiert davon nicht. 48 Prozent der Sachsen waren mit Kretschmer zufrieden, 37 unzufrieden. In der Sonntagsfrage liegt die CDU mit 33 Prozent allerdings hinter der AfD mit 37 Prozent. Gewählt wird der Landtag dort am 1. September, genau wie im benachbarten Thüringen. Drei Wochen später werden dann auch die Brandenburger zur Wahlurne gerufen. In allen drei Ländern hat derzeit die AfD die Nase vorn. 

Da in Sachsen aktuell auch SPD (drei Prozent) und FDP (ein Prozent) nicht in den Landtag einziehen würden, steigt die Chance auf einen Ministerpräsidenten der AfD – wenn auch noch sehr unwahrscheinlich – an. Zumindest glauben das die Bundesbürger. 53 Prozent der Befragten gaben laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der dpa an, sie hielten die Wahl eines AfD-Ministerpräsidenten in diesem Jahr für „wahrscheinlich“. Da alle anderen Parteien eine Koalition mit der AfD ausschließen, könnte der allerdings nur mit einer absoluten Mehrheit seiner Partei ins Amt kommen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.