© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/23 - 01/24 / 22. Dezember 2023

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Wissenschaftler kritisieren Buchrücknahme 

LEIPZIG/DURHAM. Die Kritik an der Zurückziehung des Buches „Angst, Politik, Zivilcourage. Rückschau auf die Corona-Krise“ durch die Evangelische Verlagsanstalt (EVA) in Leipzig nimmt zu. Der Schritt erfolgte nach einer Rezension im evangelischen Magazin zeitzeichen. Darin hieß es, der von dem Theologen Thomas A. Seidel und dem Publizisten Sebastian Kleinschmidt herausgegebene Band enthalte demokratiefeindliche, verschwörungsideologische und antisemitische Passagen. Veranlaßt hatte den Rückzug das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP), das eine Mehrheitsbeteiligung an der EVA hat. In einem der Evangelischen Nachrichtenagentur idea vorliegenden offenen Brief an das GEP haben nun 16 Theologen und andere Wissenschaftler gegen die Entscheidung protestiert. Verfaßt hat ihn der an der Universität in Durham (Nordengland) lehrende Theologieprofessor Jan Dochhorn. In der EVA publizierten Autoren aus verschiedenen theologischen und weltanschaulichen Richtungen. Das sich daraus entwickelnde Vertrauen werde jedoch erheblich beschädigt, wenn nun ein ganzes Autorenteam für den Anstoß in Haftung genommen werde, „den eine einzige Rezension“ an dem Buch genommen habe. Von zentraler Bedeutung scheine dabei, so Dochhorn, vor allem der Satz eines Autors zu sein, der als antisemitisch gebrandmarkt worden sei. Der Luther-Biograph Heimo Schwilk hatte in seinem Beitrag „Angst und Auflage. Deutsche Medien im Panikmodus“ geschrieben, daß „die hochmoralische Bundesrepublik an immer mehr Länder Reparationen für lange zurückliegende Kriegszerstörungen bezahlen“ solle. Schwilk weiter: „Das schlechte Gewissen läßt sich nämlich auch anzapfen. Wie das geht, haben uns die Erben der israelischen Opfer der Olympischen Spiele von München 1972 perfekt vorgeführt. Aber schon stehen andere Länder Schlange.“ Es wird allerdings laut Dochhorn schon aus dem Kontext des Satzes deutlich, daß dieser kaum antisemitisch intendiert gewesen sein könne. So habe Schwilk kurz vor dieser Passage deutliche Nationalsozialismus-Kritik geäußert. Dochhorn warnt davor, sich vorschnell einem Antisemitismus-Vorwurf anzuschließen. Das geböten Fairneß und Respekt. Auch an der Pressemitteilung des GEP, in der die Zurückziehung des Bandes verkündet worden war, üben Dochhorn und die anderen Unterzeichner Kritik. Die Aussage, in dem Band werde rechtsextreme Literatur zitiert, werde nicht belegt und habe somit keine Substanz. „Man kann solche Vorwürfe nicht erheben, ohne klar zu definieren, was man unter ‘rechtsextrem’ versteht, und ohne Beispiele zu geben, die dann kritisch geprüft werden können. Rechtsextremismus zu unterstellen ist keine Harmlosigkeit.“ Wie das GEP auf idea-Anfrage mitteilte, wird sich das Werk nicht zu dem offenen Brief äußern. Unterdessen haben die beiden Herausgeber Seidel und Kleinschmidt mitgeteilt, daß die EVA inzwischen die Veröffentlichung einer überarbeiteten Auflage in Aussicht gestellt habe. (idea/JF)





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