Wie erwartet, haben Schüler in Deutschland bei der jüngsten internationalen Pisa-Erhebung noch schwächer abgeschnitten als 2018. Die getesteten Probanden, die im letzten Jahr ihrer Pflichtschulzeit daran teilnahmen, brachten es im Lesen, in der Mathematik und den Naturwissenschaften auf die niedrigsten Werte, die seit der ersten Untersuchung 2001 jemals im Rahmen von Pisa gemessen worden sind (JF 51/23). Dabei stechen die Anteile extrem leistungsschwacher Schüler in allen drei Bereichen heraus. So scheitert ein Drittel der Jugendlichen auch nach neunjähriger Schulzeit an einfachsten Rechenoperationen, erschreckende 26 Prozent sind des Lesens kaum mächtig und ein gutes Fünftel genügt in den Naturwissenschaften selbst Minimalanforderungen nicht.
Neu an diesem Debakel mit Ansage ist nur, daß Kommentatoren jetzt zaghaft einen Zusammenhang thematisieren, der seit zwanzig Jahren regelmäßig in der medialen Schweigespirale verschwindet: den zwischen schulischem Leistungsabfall und Massenzuwanderung. Allerdings bleiben dazu so unverblümt formulierte Wortmeldungen wie die von Harald Martenstein (Die Welt) oder Chaim Noll (achgut.com) klar in der Minderheit.
Schuld soll das dreigliedrige Schulsystem sein
Die Mehrzahl baut weiter auf Palmströms Logik, wonach nicht sein kann, was nicht sein darf. Und folgt damit Doris Lewalter (TU München), der deutschen Pisa-Studienleiterin, die erst am Ende der Kaskade ihrer Erklärungsangebote, die von den Kollateralschäden der Covid-Pandemie bis zur schleppenden Digitalisierung des Unterrichts reichen, einräumt, für die blamablen Resultate könnte auch die explodierende Zahl zugewanderter „Schüler mit unzureichenden Spracherkenntnissen“ eine Rolle gespielt haben. Was sie jedoch nicht auf die naheliegende Idee bringt, den Zustrom zu begren-zen. Dazu will sich auch Heike Schmoll, die Grande Dame des deutschen Bildungsjournalismus, nicht durchringen, die zwar mit der „bitteren Erkenntnis“ aufwartet, Schule scheitere an der „Integration aus unterschiedlichsten Ländern und Kulturen“, aber zur Lösung des Problems allen Ernstes vorschlägt, mehr Steuergeld zu investieren, um zu erforschen, was Einwanderungsländer wie Kanada tun, um mit ihrer „diversen“ Schülerschaft bessere Pisa-Plazierungen als Deutschland zu erreichen (FAZ vom 6. Dezember 2023).
Mit ihrer Weigerung, die Massenmigration als Krebsschaden des deutschen Schulwesens und Hauptursache seiner Zersetzung zu begreifen, sind Bürgerliche wie Lewalter und Schmoll gar nicht weit entfernt von der wirklichkeitsfremden linken Meistererzählung, wonach das frühe Ende vieler Schulkarrieren wesentlich sozialer Selektion, keinesfalls aber dem steigenden Anteil von Kindern aus islamischen Kulturregionen geschuldet sei, sondern einem dreigliedrigen Schulsystem, das keine Bildungsgerechtigkeit zulasse. Das behauptet jedenfalls Wolfram Grams, der in seinem Essay über den „Ausverkauf des Rechts auf Bildung“ damit den stetigen Leistungsabfall begründet, den die Pisa-Tests dokumentieren (vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrecht und Geschichtspolitik, 241/2023).
Der Lehrerberuf verliert weiter an Ansehen
Der im Bremer Landesverband der Partei Die Linke engagierte Berufsschuldirektor im Ruhestand, in Marburg promoviert und ideologisch geprägt, als dort seine Lehrer, das Politologen-Duo Reinhard Kühnl und Frank Deppe, das akademische Leuchtfeuer der DKP hüteten, sieht in einem Klassiker sozialdemokratischer und kommunistischer „Reformer“, der seit den 1970ern propagierten, heute weitgehend – ohne die erhoffte Wunderheilung – realisierten flächendeckenden Einführung der Gesamtschule die Patentlösung zur Bewältigung der „tiefen Krise unseres Bildungswesens“. Wobei Grams sich nicht entscheidet, ob sie wirklich auf den Torso des dreigliedrigen Schulsystems und nicht eher auf dessen chronische Unterfinanzierung zurückgeht. Aktuell betrage der Investitionsrückstand bei der Bildungsinfrastruktur jedenfalls 48 Milliarden Euro. Das entspricht fast genau der Summe von 50 Milliarden Euro, den die als Weltsozialamt auftrumpfende Berliner Ampel-Regierung allein 2023 in die Vollversorgung unablässig zuwandernder „Fachkräfte“ gepumpt hat.
Geld, das nicht nur fehlt, um marode Schulgebäude zu sanieren und Klassenräume technisch besser auszustatten, wie Grams jammert. Denn diese materiellen Engpässe schlagen auch auf die „desaströse Personallage“ öffentlicher Schulen durch. In den meisten Bundesländern liegt daher der Unterrichtsausfall bei mindestens zehn Prozent. Unter solchen Bedingungen müsse die Qualität des Arbeitsplatzes Schule und damit die Attraktivität des Lehrerberufes weiter abnehmen.
Der Ansehensverlust dieses Berufes, der einst neben dem des Mediziners höchstes Sozialprestige genoß, gehe einher mit dem „Niedergang der Bedeutung von Bildung“, die im Sinne Goethes den Schüler befähigen soll, zu erkennen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Aber Bildung in diesem ambitionierten Sinne sei zwangsläufig nicht mehr gefragt, wo man sie auf Wissenserwerb reduziere, auf Qualifikation zum je spezifischen Zweck in Form eines „lukrativen Jobs“.
Was dieses Lamento ignoriert, das hier plötzlich die „Werte der klassischen humanistischen Bildung“ beschwört, ist der Umstand, daß Persönlichkeitsbildung auf diesem Niveau eine nationale Kultur voraussetzt, die durch die integrierende Kraft von Sprache, Literatur, Philosophie, Musik und Kunst jene Zugehörigkeit und Identität stiftet, auf die linke Internationalisten und multikulturelle Utopisten gern verzichten wollen.
Diese Integrationskraft hätten deutsche „Schulen der Ungleichheit“ längst eingebüßt. Aus Grams Sicht vor allem deshalb, weil sie an der Inklusion von Behinderten und an der Erziehung von Kindern aus bildungsfernen Schichten scheitern. Nur am Rande gesteht er ein, daß sich diese Schichten durch Zuwanderung verbreitern und zunehmend Probleme mit der „Heterogenität der Lerngruppen“ zeitigen, die aus „Kindern mit Migrationshintergrund“ oder „Fluchterfahrungen“ bestünden, worauf deutsche Eltern, die in diesem Milieu die Benachteiligung ihrer Kinder fürchten und die es sich leisten können, sich aus dem öffentlichen Schulsystem verabschieden.
Angesichts des „demographischen Wandels, sozialer Verwerfungen, der sich seit 2010 spektakulär öffnenden Arm-Reich-Schere und Zukunftsunsicherheiten“, Formeln, mit denen Grams die Islamisierung der Klassenzimmer politisch korrekt umschreibt, machen also auch deutsche Kinder, zumindest die wohlhabender Eltern, „Fluchterfahrungen“, die sie ins Luxusasyl von bis zu 4.000 Euro teuren Internaten führt – monatlich wohlgemerkt! Die dadurch verschärfte „Ghettoisierung öffentlicher Schulen“, an denen das „eigenständige soziale und kulturelle Menschenrecht auf Bildung“ gerade für „Geflüchtete“ immer weniger durchzusetzen sei, lastet Grams dann konsequent nicht einer von ihm und seiner Klientel forcierten selbstmörderischen Asylpolitik an, sondern „neoliberalen Entstaatlichungs- und Sparmaßnahmen“ im Bildungssektor.