© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/23 - 01/24 / 22. Dezember 2023

Globalisierter Aufstand gegen den „Werte-Westen“
Allianz der Unzufriedenen
(ob)

Wer seinen Blick über den Globus schweifen läßt, könne gegenwärtig lauter „Revolten gegen den Westen“ wahrnehmen. Das Spektrum der Bedrohung reicht für Moritz Rudolph, einen Redakteur des Philosophie Magazins, von Putins Krieg gegen die Ukraine über die Dschihadisten des Vorderen Orients, die auf das Ende Eurasiens sinnen und dabei im ersten Anlauf  Israel ins Meer jagen möchten, bis zu Chinas Xi Jinping, der sich vom amerikanisch-europäischen Joch dort befreien will, wo es ihn am schmerzlichsten drückt, in Taiwan. Stiller, aber in der Sache nicht minder entschlossen, arbeiten Indien, Indonesien, Brasilien und viele andere daran, das westliche Zivilisationsmodell auf den Müllhaufen der Geschichte zu entsorgen. Aus dieser Herausforderung entwickle sich die paradoxe Konstellation, daß ein verwestlichter globaler Süden und Osten den antiwestlichen Aufstand organisiert. Zugeständnisse an diese Parvenüs der Weltpolitik würden als Schwäche ausgenutzt. Daher habe der „Werte-Westen“ nur die Option, seine zu imperialistischer und kolonialistischer Zeit bewiesene „grausame Seite“ ein wenig aufzufrischen. Tue er das, verspiele er sein ohnehin geschwundenes moralisches Kapital als Patron der Menschenrechte und „geht unter“. Das gelte auch dann, wenn er sich nur mit wirtschaftlichen Sanktionen wehre, da dieses zweischneidige Schwert ihn meist selbst treffe. Wehre er sich nicht, gehe er ebenfalls unter. So oder so, der Westen habe kaum eine Chance, „unbeschadet aus dieser  Sache herauszukommen“. Seine Gegner in der Allianz der Unzufriedenen allerdings auch nicht. Denn sie bekämpfen einen Feind aus der Vergangenheit, dem sie selbst stark ähneln (Merkur, 10/2023). 


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