© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/23 - 01/24 / 22. Dezember 2023

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Pleite der Rechten bei Verfassungsreferendum

SANTIAGO DE CHILE. Die Chilenen haben eine neue Verfassung abgelehnt, indem sie in einer Volksabstimmung am Sonntag gegen den rechtsgerichteten Vorschlag stimmten. Bei einer Wahlbeteiligung von 84,5 Prozent gewann die „Gegen“-Option mit 55,8 Prozent der Stimmen. Die Ausarbeitung des neuen Verfassungstextes wurde von der Republikanischen Partei geleitet, die von dem ehemaligen rechten Präsidentschaftskandidaten José Antonio Kast gegründet wurde. Dieser hatte vor dem Referendum erklärt, daß Chile an diesem Tag „eine große Chance habe, die Zukunft zu verändern“. Nach dem Ergebnis zeigte sich Kast optimistisch auf X: „Es ist uns nicht gelungen, aber wir sind stolz auf die Arbeit, die wir für die Bürger geleistet haben, indem wir mit der Wahrheit und mit tiefer Liebe zu Chile gesprochen haben.“ Chiles linker Präsident Gabriel Boric kündigte an, daß während seiner Amtszeit der Verfassungsprozeß abgeschlossen sei: „Die Notfälle liegen woanders.“ „Keine Feierlichkeiten, keine Arroganz, Ball auf dem Boden, Demut und Arbeit“, sagte der Präsident. „Der Text zielte darauf ab, das neoliberale Modell wirtschaftlich und sozial zu festigen und beinhaltete eine Art konservativen Rückschritt“, betonte der Sozialdemokrat Francisco Vidal. Damit ist der zweite Versuch gescheitert, die Verfassung von 1980 zu ändern, die während der Diktatur von Augusto Pinochet (1973 bis 1990) entstand. In einer Volksabstimmung am 4. September 2022 lehnten 62 Prozent der Bürger den von einem Verfassungskonvent vorgelegten Vorschlag ab, der mehrheitlich aus radikalen Linken und Nicht-Militanten bestand. Nach diesem Fiasko hatte die rechte Opposition, die bei den Wahlen im Mai eine Mehrheit errang (22 Sitze für die Republikaner, elf für das traditionelle Rechtsbündnis Chile Vamos und 17 für die linke Mitte) einen neuen Prozeß für eine neue Verfassung in Gang gesetzt. Nach Angaben von Analysten, die von BBC Mundo befragt wurden, gab es neben der „neoliberalen“ Tendenz andere Gründe für das „Nein“. In dem Vorschlag sollte im Bereich der Gesundheit ein universeller Gesundheitsplan gesetzlich verankert werden, der von staatlichen und privaten Einrichtungen angeboten werden könnte. Ähnliches sei für den Bereich der Renten vorgeschlagen worden, wo der Staat den Zugang zu grundlegenden und universellen Leistungen garantieren sollte, die von „öffentlichen oder privaten Einrichtungen“ angeboten werden könnten. Und im Bereich der Bildung sei die „Freiheit der Bildung“ und das Vorrecht der Eltern auf die Bildung ihrer Kinder betont worden. (ctw)