Die Sachsen sollen mehr direkte Demokratie bekommen. So hat es Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wiederholt versprochen. Aber die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament bekommt er nur, wenn er mit den Genossen von der Linkspartei paktiert. Denn die niedrigeren Hürden für Volksanträge und Volksbegehren sollen in der Verfassung festgeschrieben werden. Und die Zeit drängt.
Schon der bisherige Kuhhandel mit den Koalitionspartnern SPD und Grüne war schwierig. Noch im Oktober schien es so, als hätte Kretschmer das Handtuch geschmissen. Es gäbe keine Einigung, teilte er mit. Anfang November dann die Kehrtwende. Nach einer Klausur kündigte CDU-Fraktionsgeschäftsführer Sören Voigt zur allgemeinen Überraschung neue Kompromisse an, auch weil SPD und Grüne auf 18 ihrer 25 Forderungen verzichtet hätten. Unverhandelbar für die CDU sei lediglich die Schuldenbremse, die die kleinen Partner streichen wollten, so Voigt. Am Donnerstag vergangener Woche wurde dem Landtag schließlich ein Gesetzentwurf zur Diskussion vorgelegt. Danach sollen die Hürden der Volksgesetzgebung sinken, die nötigen Unterschriften für Volksanträge und Volksbegehren in etwa halbiert werden.
Allerdings ist das Ganze insofern eine Mogelpackung, als daß im Gegenzug ein Zustimmungsquorum beim Volksentscheid eingeführt werden soll. Dann reicht nicht mehr allein die Mehrheit der Abstimmenden, sondern es ist eine Zustimmungsquote von mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten nötig. Letzteres scheint Valentin Lippmann, rechtspolitischer Sprecher der Bündnisgrünen, überlesen zu haben, wenn er vor dem Landtag rühmt, Volksbegehren und Volksentscheid „wieder in die Sphäre des tatsächlich Möglichen zu überführen“: Die Sächsische Zeitung resümiert: „Ein Umstand, der die Erfolgshürde für ein solches Verfahren enorm hoch hängt.“
Eine Neuerung ist auch die Volksklage, nach der ein beschlossenes Gesetz von Bürgern am Landesverfassungsgerichtshof angefochten werden kann. Auf Wunsch der Grünen soll der Klimaschutz Staatsziel werden. Die CDU lobt ihr Engagement bei der „Gleichstellung von Frau und Mann einschließlich der Beseitigung bestehender Nachteile sowie das absolute Diskriminierungsverbot von Menschen mit Behinderung“. Mehr Bewegung bei der Gleichberechtigung hätten sich dagegen die Sozialdemokraten gewünscht und gern eine Absenkung des Wahlalters und das Recht auf Bildung festgeschrieben, aber „das war aber nicht mehrheitsfähig mit drei Partnern“, so deren Parlamentarische Geschäftsführerin Sabine Friedel.
Skeptisch gegenüber der Verfassungsänderungsdebatte zeigt sich die AfD als größte Oppositionspartei. Die Begründungen für die Notwendigkeit der Reform seien „dünn“. Kretschmer ficht das wenig an, er will die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit mit der Linkspartei erreichen. Diese kündigt bereits „konstruktive Änderungsvorschläge“ an, so Fraktionschef Rico Gebhardt. Viel Zeit bleibt dafür nicht. Der letzte mögliche Abstimmungstag wäre der 24. Juni, dann ist die Landtagswahl. Derzeit liegt der Entwurf beim Ausschuß für Recht und Verfassung.