© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/23 - 01/24 / 22. Dezember 2023

Besser nicht regieren
Wären wir nicht betroffen, könnte man über die Unfähigkeit der Ampel lachen
Michael Paulwitz

Absolutismus, gemildert durch Schlamperei – so beschrieb einst Victor Adler, der Vater der österreichischen Sozialdemokratie, die Verhältnisse im späten Habsburgerreich. Adler starb freilich schon im Jahr des Untergangs der Donaumonarchie. Könnte er mitansehen, was seine deutschen Genossen und ihre Verbündeten heute im Nachbarland anrichten, müßte er seine Formel wohl modifizieren: Totalitärer Größenwahn, gepaart mit Unfähigkeit.

Dabei hatten die Ökosozialisten sich alles so schön ausgemalt. Die schafsgeduldigen Steuerzahler und die böse Wirtschaft auspressen wie eine Zitrone und auf ihren Deckel Schulden machen wie noch nie. Guter Plan, oder? Ihnen dabei weismachen: das sei ja alles für einen höheren Zweck, nämlich die Rettung des Planeten und was so dazugehört? Und die Beute dann an die eigene Klientel, befreundete Geschäftemacher und mit moralimperialistischer Pose an die ganze Welt verteilen. So weit, so ausgeklügelt.

Dumm nur, wenn einen dabei der ewige Fluch des Sozialismus ereilt und das Geld der anderen vorzeitig ausgeht. Zum Beispiel, wenn das Bundesverfassungsgericht die rechtswidrigen Tricksereien mit dem Staatshaushalt stoppt und die Abkassierer dazu verdonnert, sich das Geld für ihre Luftschlösser auf seriösem Weg zu beschaffen – oder einfach weniger auszugeben. 

Damit hatten sie in ihrer Selbstüberschätzung nicht gerechnet. Der verzweifelte Versuch, ihren Geldverschwendungsplan mit noch mehr und höheren Steuern und Abgaben sowie ein paar Kürzungen bei denen zu retten, die man sowieso nicht mag, fliegt ihnen nun auch noch um die Ohren. 

Den Bauern den nötigen Diesel für ihre Landmaschinen teurer zu machen, schien da eine gute Idee, bis die Bauern von der ständigen Gängelei die Nase voll hatten und auf die Barrikaden stiegen. Und zwar so massiv, daß der zuständige Minister nun zurückrudert und gegen sich selbst und seine Kabinettskollegen demonstrieren geht.

Mit der Streichung der Subventionen für Besserverdiener, die sich ein Elektroauto anschaffen wollen, haben die Ampel-Grünen dann sogar noch ihre Stammklientel vergrätzt. Die meisten kaufen teure und unpraktische Stromfahrzeuge nämlich nicht aus Überzeugung, sondern weil man manchen Leuten mit dem Verkaufsargument „da gibt es was ‘vom Staat’ dazu“ so ziemlich alles andrehen kann. 

En passant dürften die Ampel-Schlaumeier damit auch noch das Ende des E-Auto-Rummels beschleunigt haben, den sie doch eigentlich massiv vorantreiben wollten. Schade. Das leider erst nachdem sie die deutsche Automobilindustrie zur Massenflucht ins Ausland getrieben haben. Der Kampf gegen sich selbst geht ungehindert weiter.

Die Häufung grotesker Peinlich-Nummern läßt die Ampel-Regierung als Ansammlung von Dilettanten dastehen, denen so ziemlich alles schiefgeht, was sie anpacken. Mit mißlungenen, gescheiterten, endlos verzögerten und verschlimmbesserten Gesetzesvorhaben, an denen sich das Chaoten-Bündnis aus Sozialisten, Ökokommunisten und Pseudoliberalen in nur zwei Jahren bereits versucht hat, könnte man inzwischen ganze Hallen tapezieren. 

Zum Beispiel mit dem Gesetzentwurf zur „Reform“ von Einbürgerung und Staatsangehörigkeitsrecht, den das Kabinett nach endlosem Hin und Her vor einigen Wochen beschlossen und eingebracht hat. Der Plan dahinter: Möglichst viele Migranten im Schnellverfahren einbürgern und legalisieren, um die unvorteilhaften Sozial- und Kriminalstatistiken zu frisieren und vor allem der SPD dringend benötigten Ersatz aus linkskreuzenden Neubürgern für die vergraulten ehemaligen einheimischen Wähler zu verschaffen. Na toi, toi, toi, daß die ihre Kreuze nicht bei einer Islampartei machen.

Das Vorhaben schmort jetzt erst einmal in den Ausschüssen. Um das Stimmvolk einzulullen, hat man es nämlich mit einem Bündel an wirkungslosen Scheinmaßnahmen zur Abschiebung einiger nicht aufenthaltsberechtigter Migranten kombiniert. Das beschönigende Etikett „Rückführungsbeschleunigungsgesetz“ haben grüne und rote Eiferer für bare Münze genommen und laufen dagegen Sturm. 

Ähnlich ergeht es dem Gesetz zur Cannabis-Legalisierung, einem Prestigeprojekt, von dem zur Abwechslung einmal alle drei Koalitionsparteien angetan waren. Aber der Murks steckt im Detail, und mit dem nach endlosem Gewürge von Gesundheitsminister Karl Lauterbach endlich vorgelegten und vom Kabinett beschlossenen Entwurf gehen die Diskussionen erst richtig los. Ursprünglich sollte das Gesetz schon zum Neujahr in Kraft treten, momentan steht der 1. April als Termin im Raum.

Seit mindestens anderthalb Jahren bastelt die Koalition auch an ihrem „Selbstbestimmungsgesetz“ herum, das einer überschaubaren Lobby ermöglichen soll, sich nach Belieben die Geschlechtszugehörigkeit auszusuchen und den Rest der Welt mit drakonischen Strafen zu zwingen, persönliche Befindlichkeiten als Tatsachen widerspruchslos hinzunehmen. 

Wie so vieles aus der Ampel-Gesetzesbastelstube ist auch dieses Vorhaben nicht zu Ende gedacht: Was, wenn Triebtäter sich als Frauen ausgeben, um in weibliche Schutzräume einzudringen? Und wie verhindern, daß Kriminelle per einfacher Personenstandserklärung ihre Identität verschleiern, um unterzutauchen? Wirksam werden soll das Gesetz (zum Glück?) erst in einem Jahr. Vielleicht wird diese Regierung ja vorher abgelöst.

Was wäre diesem Land wohl noch alles widerfahren, wenn diese Regierung tatsächlich in der Lage wäre, handwerklich saubere und anwendbare Gesetze zu fabrizieren? „Danke, daß ihr wenigstens so unfähig seid“, ist man fast versucht zu sagen. Indes haben auch schlechte Gesetze, die mit Verzögerung kommen, fatale Folgen für die Bürger.

Beinahe wehmütig denkt da so mancher an die Zeit der „Jamaika“-Koalitionsverhandlungen nach den Bundestagswahlen vor sechs Jahren zurück, als monatelang mal überhaupt kein neues Gesetz auf das Volk losgelassen wurde. Lieber gar nicht regiert werden, als so miserabel regiert zu werden – der Stoßseufzer dürfte derzeit vielen auf den Lippen liegen.