© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/23 / 15. Dezember 2023

Rücktritt erfolgreich ausgesessen
„Briefkopfaffäre“: SPD-Medienpolitikerin Heike Raab soll Druck auf den SWR ausgeübt haben
Gil Barkei

Es ist ein Lehrstück über das Medienverständnis der Politik, und darüber, wie selbst die Öffentlich-Rechtlichen ins Visier der Mächtigen geraten können. In Rheinland-Pfalz soll die Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD) den SWR mit kraft ihres Amtes drohend unter Druck gesetzt haben. Doch wirkliche Konsequenzen bleiben aus.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer hält jedenfalls an ihrer Parteigenossin fest und betonte vergangene Woche Mittwoch in einer Sondersitzung des Landtags in Mainz: „Ich komme zu dem Ergebnis, daß Frau Raab das Parlament nicht getäuscht hat.“ Sie würde ohnehin „zu keiner Zeit dulden, daß durch die Staatskanzlei Druck auf Medien ausgeübt wird“. Die Opposition sprach von einem Angriff auf die Pressefreiheit und hatte unter anderem Raabs Abberufung gefordert.

Besondere Rolle im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Was war geschehen? Raab hatte bereits im April in einem Schreiben an die SWR-Landesfunkhauschefin Ulla Fiebig die Berichterstattung des Hauptstadtkorrespondenten Georg Link über den zurückgetretenen Innenminister und SPD-Landesvorsitzenden Roger Lewentz scharf kritisiert. Daß Raab dabei den offiziellen Briefkopf der Landesregierung benutzte, brachte ihr den Vorwurf der Einschüchterung der Presse ein. Denn die Politikerin ist nicht irgendwer: Als „Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien“ koordiniert sie für die Vorsitzende Malu Dreyer die Rundfunkkommission der Länder und damit die föderale Medienpolitik, zu der uauch das Beitragssystem gehört.

Was hatte sich der Journalist Georg Link zuschulden kommen lassen? 2021 starben bei der Flutkatastrophe im Ahrtal 134 Menschen. Der damalige rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz trat erst nach massivem Druck zurück, blieb aber trotz Kritik Chef der Landes-SPD. Auch Link sagte im April in einer Live-Schaltung der Nachrichtensendung „SWR Aktuell“: „Das dürfte bundesweit wahrscheinlich einmalig sein, daß ein Landesinnenminister, der die politische Verantwortung für die vielen Toten dieser schrecklichen Ahr-Katastrophe übernehmen muß, weiterhin Landesvorsitzender seiner Partei bleibt.“ 

Nach dem Beitrag soll es nach Berichten von Lokalmedien zum Streit zwischen Link und Lewentz gekommen sein. Laut Beobachtern soll letzterer in einem Hintergrundgespräch zum „Gegenangriff“ ausgeholt haben, was einige Teilnehmer als Drohung wahrgenommen hätten. Kurz darauf trudelte der Brief von Heike Raab beim SWR ein, in dem sie sich darüber beschwerte, die Äußerung des SWR-Korrespondenten sei „objektiv falsch“. 

Als die FAZ vergangenen Monat über den Vorfall berichtete, war die Empörung über die vermeintliche Beeinflussung der Medien groß. Die AfD stellte sogar einen Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Auch weil die Oppositionsparteien Raab vorwerfen, im Medienausschuß und in SWR-Gremien zu dem Fall gelogen zu haben. Dort hatte Raab angegeben, den Brief aus dem Homeoffice heraus mit privaten Mitteln verschickt zu haben, obwohl sich dies als falsch herausstellte.

Raab versuchte zunächst, ihren Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, gab ihren Posten im SWR-Verwaltungsrat auf und räumte in einem Schreiben Fehler ein: Sie habe die Wirkung aufgrund ihrer besonderen Rolle in der Medienpolitik unterschätzt. 

Auch in der Sondersitzung vergangene Woche bat sie um Entschuldigung und betonte, in der „Briefkopfaffäre“ weder eine Löschung noch eine Richtigstellung von dem Sender gefordert zu haben. Daß Malu Dreyer ihre wichtige Weggefährtin stützt, zeigt, wie das Aussitzen von Rücktrittsforderungen Erfolg haben kann. Raabs Nachfolger im SWR-Verwaltungsrat ist übrigens Denis Alt, Staatssekretär aus dem Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit – und natürlich SPD-Mann.