Wow!“ rufen die elfjährige Billie (Ava-Elizabeth Awe) und ihr Freund Dino (Felix Nölle) begeistert aus, als sie das erste Signal aus dem All empfangen. Der sommersprossige Junge hat auf dem Schrottplatz seiner Eltern eine technisch hochwertig ausgestattete Forschungszentrale errichtet, die verdächtig an das in Rocky Beach angesiedelte Detektivdomizil aus der Kinderkrimiserie um „Die drei ???“ erinnert. Aber lieber gut geklaut als schlecht erfunden, wird sich Drehbuchautor Marc Meyer („Löwenzahn“) gesagt haben. Was folgt, ist ein um kinderuntaugliche Elemente erleichterter Mix aus „Apollo 13“ (1995), „Contact“ (1997) und „Gravity“ (2013).
Mancher wird sich auch an das „Tim und Struppi“-Abenteuer „Schritte auf dem Mond“ erinnert fühlen. Cineasten wissen damit schon mal Bescheid: In dem Film von Felix Binder, der mit „Club der roten Bänder – Wie alles begann“ (2019) bereits sein Gespür für Jugendthemen unter Beweis stellte, passiert so allerhand. Zunächst müssen sich der Sohn eines Schrotthändlers und die Tochter einer Astronautin und eines deutschen Physikers mal miteinander anfreunden. Das fällt nicht schwer, da dieselbe Leidenschaft für den Weltraum sie verbindet. Mit einem selbstgebastelten Radioteleskop empfangen sie schließlich mutmaßliche Signale von Außerirdischen. Und dann stehen sie auch schon bei Billies Vater Alex (Ronald Zehrfeld) im Zimmer und fordern ihn auf: „Papa, das mußt du dir anhören, das erklärt alles!“ Doch der Astrophysiker weiß sofort, womit er es hier zu tun hat: Die Kinder, erklärt er, seien Opfer einer „reziproken Wunschverstärkung“ geworden.
Trotzdem schafft es das Drehbuch, sie mit Alex auf den Weltraumbahnhof der ESA nach Kourou in Französisch-Guayana zu schicken, wo man die Kinder zwar erneut nicht ernst nimmt. Doch dann kommen die beiden Schlaumeier einer Verschwörung auf die Spur: Die Astrophysikerin Margot Boshley (Lavinia Wilson) und zwei Finsterlinge betreiben ein geheimes Labor und verbergen einen außerirdischen Fund vor der Öffentlichkeit: einen Stein, der den Gesetzen der Schwerkraft trotzt. Außerdem findet Billie spannende Hinweise auf die frühere Berufstätigkeit ihrer Mutter. Kann sie womöglich vollenden, woran die Astronautin arbeitete, als sie vor vielen Jahren ums Leben kam? Als sich die Kinder auf dem Gelände des Raumfahrtzentrums in einer Kiste verstecken, werden sie versehentlich mit einer Ariane-Rakete ins All geschossen. Und damit beginnt das größte Abenteuer ihres Lebens.
„Kosmische Lebensform“ mit New-Age-Platitüden
Mit authentisch aussehenden Aufnahmen aus dem All, die für das Budget eines Kinderfilms außergewöhnlich sind, weiß der Film von Felix Binder zumindest optisch zu begeistern, während die Handlung sich von anderen Produkten des Genres qualitativ nicht abhebt. Die pflichtschuldige Erfüllung der Filmförderdesiderate im Hinblick auf Vielfalts- und Inklusionsthemen nervt mit ihrer Penetranz: Billie hat eine farbige Mutter und interessiert sich nicht für klassische Mädchensachen; Dino ist als Kind nicht etwa in einen Zaubertrank gefallen, sondern in Papas Schrottpresse. Seitdem hat er eine Gehbehinderung. Sein Vater neckt ihn als „Humpelfuß mit zwei linken Händen“. Billie und Dino werden im Verlauf des Films beweisen, daß sie sich von Vorurteilen nicht ausbremsen lassen.
Spannungsfördernd, aber nicht unbedingt ein Gewinn ist es, daß der Film am Ende die naturwissenschaftlich-technische Ebene verläßt, dank der er sich vortrefflich als Teil der dringend nötigen Werbekampagne für MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) eignet, auf die bekanntlich die Einwanderung von Fachkräften immer noch nicht richtig durchgeschlagen hat. Jedenfalls stoßen Billie und Dino noch auf eine „kosmische Lebensform“, die Platitüden aus dem New-Age-Handbuch von sich gibt: „Einer von uns ist wir alle, und wir alle sind einer von uns.“ Immerhin lernen die jungen Zuschauer so gleich eine Lektion, die in keinem Schulbuch steht: Vor der grünen Eine-Welt- und Nachhaltigkeits-Gebetsmühle ist man nicht mal in einer Raumkapsel fern der Erde sicher. Und siehe da: Prompt wird die anfangs atheistische Billie zur Gläubigen – einer Religion, der man die nicht zum Zeitgeist passenden Zöpfe abgeschnitten hat.
Eltern sollten diesen esoterischen Einschlag im Anschluß an den Film unbedingt kritisch mit ihren Kindern aufarbeiten. Abgesehen von den ideologischen Defekten ist an „Wow! Nachricht aus dem All“ aber wenig auszusetzen. Durch das hohe Erzähltempo wird sich mit Billie und Dino im Kino kein Kind langweilen und erwachsene Begleitpersonen wahrscheinlich auch nicht. Echte Astrophysiker selbstverständlich ausgenommen.
Kinostart ist am 14. Dezember 2023