Sie sind ein fester Bestandteil der kirchlichen Weihnachtsfeier, und auch dieses Jahr werden wieder deutschlandweit in den Kirchen vor allem Kinder daran mitwirken, die Geschichte der Geburt Jesu in Krippenspielen darzustellen.
Als Geburtsort des Krippenspiels gilt Greccio in der italienischen Provinz Rieti, eine kleine Ortschaft in hügeliger, von Eichenwäldern geprägter Umgebung, etwa in der Mitte zwischen Rom und Assisi gelegen, dem Geburtsort des katholischen Heiligen und Ordensgründers Franz von Assisi (1181–1226), auf den der aktuelle Papst Franziskus I. bei seiner Namenswahl rekurrierte. Der heilige Franz gilt als Erfinder des Krippenspiels, das eine Art Prototyp der ab dem 14. Jahrhundert auch hierzulande populären Mysterienspiele ist. Dabei handelte es sich um kurze, auf Marktplätzen oder vor Kirchen öffentlich aufgeführte Theaterstücke mit biblischen oder von der Bibel abgeleiteten Inhalten (Oster-, Passions- oder Weihnachtsgeschichte). Allerdings war das, was Franz vor 800 Jahren zum ersten Mal in Greccio inszenierte, eine vergleichsweise untheatralische Darbietung. Die Nachbildung des Stalls von Bethlehem mit lebenden Tieren galt vor allem der spirituellen Vergegenwärtigung. Es war eine „Andacht plus“ mit Lichterkette – so würden PR-begabte Pastoren wohl heute dazu sagen.
Im Jahre 1217 besuchte Franz von Assisi erstmals das Kloster bei Greccio. Sechs Jahre später, am Heiligabend vor 800 Jahren, fand hier in einer Felsengrotte die legendäre Gedenkfeier zu Ehren der Geburt Jesu statt, mit der der Gottesmann das Ziel verfolgte, die aufregende Geschichte der Geburt des Heilands, wie sie das Lukasevangelium ausführlich schildert, sinnlich begreif- und erlebbar zu machen. So beschreibt Thomas von Celano (1190–1260), ein Glaubensbruder des heiligen Franziskus, in seiner Hagiographie die Motivation des berühmten Bettelmönchs. Sein Bericht über den Ursprung der „lebendigen Krippe“ klingt wie ein eigenes Evangelium: „In jener Gegend lebte ein Mann mit Namen Johannes, von gutem Ruf, aber noch besserem Lebenswandel“, ein ehemaliger Ritter, der „trotz des großen Ruhmes und des Ansehens, das er daheim genoß, den Adel des Fleisches verachtete und nach dem Adel der Seele trachtete“ und so zu Christus gefunden hatte.
Jedes Jahr lockt der Ort 100.000 Besucher an
Etwa zwei Wochen vor dem Christfest 1223 bekam Johannes den folgenschweren Auftrag: „Wenn du wünschest, daß wir bei Greccio das bevorstehende Fest des Herrn feiern, so gehe eilends hin und richte sorgfältig her, was ich dir sage. Ich möchte nämlich das Gedächtnis an jenes Kind begehen, das in Bethlehem geboren wurde, und ich möchte die bittere Not, die es schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie es in eine Krippe gelegt, an der Ochs und Esel standen, und wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich mit leiblichen Augen schauen.“ Als Johannes diese Worte vernommen hatte, so berichtet der Chronist weiter, „lief er eilends hin und rüstete an dem genannten Ort alles zu, was der Heilige angeordnet hatte.“
Mit Kerzen und Fackeln erleuchten die Gläubigen die Nacht. Heu für die Krippe wird gebracht, ebenso der Ochse und der Esel, und „aus Greccio wird gleichsam ein neues Bethlehem“, so der Zeitzeuge. „Hell wie der Tag wird die Nacht“, selbst die Tiere sind ergriffen. „Die Leute eilen herbei [...]. Der Wald erschallt von den Stimmen, und die Felsen hallen wider von dem Jubel. Die Brüder singen und bringen dem Herrn das schuldige Lob dar, und die ganze Nacht jauchzt auf in hellem Jubel.“ Der heilige Franz predigt über die „Geburt des armen Königs“, nennt ihn gerührt immer wieder das „Kind von Bethlehem“, und wenn man den Worten des Chronisten trauen darf, hat er damit zu dem Weihnachtsfest, so wie wir es heute kennen, einen entscheidenden Anstoß geliefert. Denn die Vorstellung vom hilflosen Jesus in Säuglingsgestalt sei „in vieler Herzen vergessen“ gewesen. „Da wurde er in ihnen mit seiner Gnade durch seinen heiligen Diener Franziskus wieder erweckt und zu eifrigem Gedenken eingeprägt. Endlich beschließt man die nächtliche Feier und ein jeder kehrt in seliger Freude nach Hause zurück.“ Die sagenhafte Gedenkstunde war nicht nur der Ursprung des Krippenspiels, denn das Geschehen der Heiligen Nacht wurde in vielen Ortschaften rund um Assisi fortan immer wieder nachgespielt; auch die Krippenfiguren begannen allmählich die Häuser und Kirchgebäude zu erobern.
Jedes Jahr lockt Greccio, der kleine Ort oberhalb des Flusses Velino, in dem derart Geschichtsträchtiges sich zugetragen hat, zur Weihnachtszeit an die 100.000 Besucher an. Mit Schauspielern und Statisten wird das historische Ereignis zwischen Weihnachten und dem 7. Januar für sie nachgespielt. Das Museo Internazionale del Presepe in der ehemaligen Kirche der Heiligen Maria in Greccio beherbergt eine Krippen-Ausstellung.
Besichtigen läßt sich neben der Grotte und den historischen Kirchgebäuden auch heute noch die Einsiedelei, in der Franziskus untergebracht war – wie oft ist nicht überliefert –, wenn er in den Jahren zwischen 1209 und dem ersten Krippenspiel in Greccio zu Besuch war. Das unfaßbar kleine Schlafgemach und die kleine Schlafzelle in der Felswand, in denen Franziskus sich zur Nachtruhe bettete, lassen Touristen und Pilger noch heute staunen über die Bescheidenheit des Mannes, der in Armut und Bedürfnislosigkeit ein Ideal der Nachfolge sah und damit zu einer Erneuerung seiner Kirche, einer Neubesinnung auf den Kerngehalt des Evangeliums, beitrug, die auch heute dringend nötig wäre.