Jenen Kulturpessimisten unter ihren Kollegen, die unentwegt die Arie vom Niedergang der Buchbranche singen, fährt Susanne Schüssler, die Leiterin des Berliner Wagenbach-Verlages, mit Verve in die Parade: Mit seiner Vielfalt an Verlagen, der Dichte der Buchhandlungen, Börsen und Messen sei der deutsche Buchmarkt im internationalen Vergleich der „am besten entwickelte, ausgefeilte, funktionierende und der bunteste“. Dieses hohe Niveau sei auch staatlicher Hilfe zu verdanken, die für ein robustes Urheberrecht gesorgt, den festen Ladenpreis und die reduzierte Mehrwertsteuer eingerichtet hat. Trotzdem könnten Prognosen der notorischen Schwarzseher in ihrem Gewerbe sich diesmal erfüllen. Denn durch die neue Herausforderung der Digitalisierung verlor die Buchbranche zwischen 2012 und 2016 sechs Millionen Käufer, ein Aderlaß, der sich von 2018 bis 2022 mit vier Millionen Buchmuffeln in abgeschwächter Form fortsetzte. In allen Altersgruppen nehme die Nutzung digitaler Angebote zu. Und mit diesem „fragmentierten Lesen am Schirm“ nehme die Fähigkeit ab, lange Texte und komplexe Zusammenhänge zu erfassen, wie auch die Pisa-Ergebnisse dokumentieren, die deutschen Schülern „beschämende Basis-Lesekompetenzen“ bescheinigen. Nicht minder peinlich für eine Kulturnation sei der von der Digitalisierung befeuerte „deprimierende“ Niedergang der klassischen Rezensionsmedien Zeitung und Rundfunk. Sie brächten nur noch kurze Buchbesprechungen, die nicht zu viel Wissen voraussetzen dürfen. Das Feuilleton habe damit seine Kompaßfunktion verloren und spiele für den Buchverkauf kaum mehr eine Rolle (Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 10/2023).