© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/23 / 08. Dezember 2023

Kabinenklatsch
Sie haben sich zerrissen
Ronald Berthold

In Deutschland geht nichts mehr ohne Schimpftiraden. Da wird unsere U17 zum ersten Mal Weltmeister, und das ganze Turnier über regen sich Miesepeter über die vielen Spieler mit Migrationshintergrund auf. Dieser Lichtblick im tristen deutschen Nationalmannschaftsalltag war einigen auch wieder nicht recht: zu wenige Biodeutsche!

Tatsächlich standen auch im Endspiel nur vier von ihnen in der Startelf. Aber glaubt im Ernst jemand, die Spieler mit ausländischen Wurzeln bekämen einen Kulturrabatt? Nein, sie gehören zu den Besten ihres Jahrgangs. Der Titel zeigt, daß sie nicht nur in der Bundesrepublik überragend spielen, sondern weltweit. Sie haben sich für die schwarzrotgoldene Fahne zerrissen. Mit absolut deutschen Tugenden, von denen sich die A-Nationalmannschaft eine Scheibe abschneiden könnte, rangen sie ihre Gegner nieder. Diese Kämpfermentalität hat sie zum Pokal geführt – im Finale sogar in Unterzahl.

Die Zusammensetzung des Teams ist ein Spiegel unserer Demographie. Wer das nicht glaubt, sollte seine Kinder und Enkel vielleicht mal zur Schule begleiten. In dieser Generation sind die Biodeutschen in den Städten in der Minderzahl. Das muß keinem gefallen, mir auch nicht. Wenn sich dann aber elf Jungs, von wo ihre Eltern auch immer herkommen mögen, als großartiges Team gemeinsam für den Erfolg zerreißen, ist es doch genau das, was wir so oft nicht erleben: gelungene Integration. Der Shitstorm gegen einen Teil des Teams ist zudem kontraproduktiv. Ein Teenager aus der Weltmeister-Elf könnte sich sagen: Ich kann machen, was ich will, die mögen mich nicht – egal, was ich leiste. Und da müßte ich ihm leider recht geben.