© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/23 / 08. Dezember 2023

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Das Museum Folkwang in Essen ist selbstverständlich ein Ausbund an politischer Korrektheit. Es wird geschlechtergerecht und inklusiv getextet, die Weisheit Greta Thunbergs neben Exponaten präsentiert und zwischen Unmengen von avantgardistischem Müll die kleine Zahl von echten Kunstwerken versteckt, die man den Besuchern doch nicht vorenthalten will (selbige finden sie auch zielsicher und sammeln sich zur ästhetischen Andacht prompt vor den Bildern von Caspar David Friedrich, Claude Monet und Vincent van Gogh, während man am übrigen mehr oder weniger desinteressiert vorbeigeht). Angesichts dessen irritiert, daß am Namen des Folkwang bis heute festgehalten wird und nirgends eine distanzierende Erläuterung zu finden ist. Immerhin geht die altnordische Bezeichnung auf den Palast der germanischen Göttin Freya zurück, in dem sie die Hälfte der gefallenen Krieger versammelte, während die andere an Odins Tafel saß. 

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„Die Linke ist ein Relikt der alten Weltordnung, in der sich noch der westliche und der östliche Block gegenüberstanden. Moralisch ist sie eine Schande, weil sie nur noch Wahlkalkül betreibt. Und weil sie ihre proletarische und intellektuelle Basis verloren hat, die mit Sack und Pack zu den Rechtsextremisten übergelaufen ist, umwirbt die Linke jetzt die Muslime und Einwanderer, die islamistischen Gefährder und diejenigen, die geduldet oder ausgewiesen werden – und übernimmt deren Diskurse.“ (Boualem Sansal, exilalgerischer Schriftsteller, in einem Interview mit Welt Online vom 30. November)

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Gesellschaftlicher Fortschritt; hier: der Taxifahrer. 1973: Der Taxifahrer kennt die Straßenzüge auswendig, versteht und beherrscht die Landessprache. 1983: Der Taxifahrer kennt die Straßenzüge, versteht und beherrscht die Landessprache in der Mehrzahl der Fälle. 1993: Der Taxifahrer muß die Straßenzüge gelegentlich im Stadtplan suchen, versteht die Landessprache und beherrscht sie in der Mehrzahl der Fälle. 2003: Der Taxifahrer muß die Straßenzüge ein ums andere Mal im Stadtplan suchen, versteht die Landessprache meistens. 2013: Der Taxifahrer muß die Straßenzüge grundsätzlich im Navigationssystem aufrufen und versteht die Landessprache meistens. 2023: Der Taxifahrer will die Straßenzüge in das Navigationssystem eingeben, kann es aber nicht, da er die Landessprache nicht beherrscht.

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Vor geraumer Zeit hat sich die Deutsche Bahn entschlossen, ihren Fahrgästen zu erklären, warum ihre Züge zu spät sind oder gleich ganz ausfallen, warum die Bereitstellung Probleme macht oder die Mannschaft nicht da eintraf, wo man sie erwartete, warum die Wagenreihung eine andere als die vorgesehene und die Anzeige der Reservierung unmöglich ist, warum die Heizung im Winter und die Klimaanlage im Sommer nicht funktioniert und warum sich das WLAN schon wieder verabschiedet hat, warum es im Speisewagen entweder gar nichts oder nur „kleine Snacks“ gibt. Allerdings will einer wachsenden Zahl der Reisenden die Menge an defekten Triebköpfen, Kühlanlagen, Türverriegelungen, Oberleitungen, Signalen und Stellwerksanlagen, die Massierung von Menschen im Gleisbett, ärztlichen und polizeilichen Einsätzen im Zug oder das spontane Auftauchen von Baustellen und Schienenarbeiten je länger, je weniger einleuchten. Vielleicht wäre es klüger gewesen, die Leute einfach im unklaren zu lassen, als sie permanent für dumm zu verkaufen.

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Biblische Lektionen: „Denn siehe, ich will (…) erwecken (…) ein grimmiges und schnelles Volk, das hinziehen wird, so weit die Erde ist, um Wohnstätten einzunehmen, die ihm nicht gehören.“ (Habakuk 1.6)

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Bildungsbericht in loser Folge: Man bejammert wieder die desaströsen Ergebnisse bei einer Überprüfung der Schülerleistungen im Fach Deutsch. Es geht um die Unfähigkeit, richtig zu schreiben und sinnentnehmend zu lesen und Literatur zu verstehen. Als Abhilfe wird ein Mehr an – möglichst „popkulturell“ verankerter – Motivation der Heranwachsenden vorgeschlagen. Was nicht fruchten wird. Deshalb hier mein Gegenkonzept: der pädagogische Flaschenhals, das heißt Aufnahmeprüfungen an der Grundschule und Aufnahmeprüfungen an der weiterführenden Schule (strenge selbstverständlich, hier wie dort) und Drill, bis sitzt, was sitzen muß.

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Ein souveränes Europa muß über Atomwaffen verfügen: Joschka Fischer, 2023 – Armin Mohler, 1965.

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„Aber es ist kein Zufall, daß die weltweit schnellsten und ausdauerndsten Läufer afrikanische Athleten sind oder daß in fast allen olympischen Disziplinen die Weltrekorde von Männern meist wenigstens zehn Prozent höher, schneller oder weiter sind als die von Frauen. Unterschiede zwischen uns sind real, und diese Realität ist auch mit noch so viel Ideologie nicht wegzuleugnen. Es ist unerheblich, wie man die Welt gerne hätte, die Gesetze der Biologie werden deshalb nicht gebrochen.“ (Axel Meyer, Professor für Zoologie und Evolutionsbiologie, in einem Beitrag für die Tageszeitung Die Welt, Online-Ausgabe vom 1. Dezember)

Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 22. Dezember in der JF-Ausgabe 52/23.