Zwei Weltkriege, die DDR und die Finanzkrise überstanden, die Volks-/Raiffeisenbanken Bad Salzungen und Schmalkalden zur VR-Bank fusioniert, den Ex-Bayern-Profi Stefan Effenberg für die „Fußball-Finanzierung“ angeheuert, mit Dieter Althaus (CDU) einen Ex-Ministerpräsidenten in den Aufsichtsrat gehievt, vor zwei Jahren die Raiffeisenbank Borken Nordhessen übernommen und auf dem Weg, die größte Genossenschaftsbank Thüringens zu werden. Doch die Erfolgsgeschichte der „Effenberg-Bank“ war zu gut, um wahr zu sein: Die Jahresbilanz 2022 war tiefrot, Vorstand und Aufsichtsrat traten zurück.
Seit 1. Dezember soll nun Christian Gervais als Sonderbeauftragter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) „die aktuellen Herausforderungen bewältigen“. Welche das sind, verriet er nicht. Aber um einen panischen Abzug von Kundengeldern vorzubeugen, verwies der Sanierer und frühere Vorstand der Volksbank Köln Bonn auf die Sicherungseinrichtung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR): Noch nie sei eine „Genossenschaftsbank pleite gegangen, noch nie mußten Einleger entschädigt werden, noch nie hat ein Kunde einer angeschlossenen Bank einen Verlust seiner Einlagen erlitten“, erklärte Gervais.
Genossenschaftsanteile der Kleineigentümer eingefroren
Das stimmt, denn neben der gesetzlichen Einlagensicherung von EU-weit 100.000 Euro pro Kunde haben die BVR-Institute – darunter auch die PSD- und Sparda-Banken, die BBBank und die genossenschaftliche Zentralbank DZ – schon seit 1934 ein privat finanziertes eigenes Sicherungssystem, das einer in Schieflage geratenen Genossenschaftsbank „Deckungsmittel“ gewährt. Und daß im Rahmen der Notfalloperation dieser Sicherungsfonds jetzt einen Beitrag leisten muß, gilt als wahrscheinlich. Denn bei der VR-Bank sind Wertberichtigungen im Immobiliengeschäft die Ursache des Problems. Ein dreistelliger Millionenverlust droht. Wobei die Wirtschaftsprüfer bislang noch nicht einmal ein Testat für das Jahresergebnis 2022 erstellt haben. Die VR-Bank vergab auch Kredite an Bundesligavereine zur Finanzierung ihrer Mannschaftskader. Es gab Berichte über Eigenkapitalprobleme und fragwürdige Kunden sowie Mängel in der Risikokultur und bei der Geldwäscheprävention. Fehlende Kooperation mit der BaFin und dem BVR brachten das Faß zum Überlaufen.
Laut dem aktuellen BVR-Jahresbericht ist die VR-Bank nur eines von insgesamt 737 deutschen Genossenschaftsinstituten. Deren Kreditbestände summierten sich auf 757 Milliarden Euro. Die Kundeneinlagen stiegen 2022 um 3,4 Prozent auf 861 Milliarden Euro, die addierte Bilanzsumme stieg um 30 Milliarden Euro auf 1.175 Milliarden Euro. Die VR-Bank-Bilanzsumme lag 2021 lediglich bei 1,5 Milliarden Euro – knapp unter dem BVR-Durchschnitt von 1,6 Milliarden Euro. Die größte genossenschaftliche Bilanzsumme hat die Deutsche Apotheker- und Ärztebank mit 54,2 Milliarden Euro, gefolgt von der Berliner Volksbank mit 18,1 Milliarden Euro. Finanzhilfen aus dem solidarisch von allen BVR-Instituten gespeisten Sicherungsfonds sollten für die 51.000 VR-Bank-Kunden also mehr als ausreichen.
Schon seit Oktober hatte die BaFin einen täglichen Liquiditätsbericht verlangt. Außerdem soll ein faktisches Kreditverbot bestehen, und ein Immobiliendeal muß wohl rückabgewickelt werden. Der Münchner Merkur berichtete, daß die VR-Bank eine ehemalige Polizeistation in Weimar für zwölf Millionen Euro verkauft habe. Allerdings an eine hundertprozentige Tochter der Volksbank, ohne daß dabei Geld floß. Die Bilanz sollte so aufgehübscht werden. Das wiederum soll Ex-Vorstandschef Stefan Siebert dem Aufsichtsrat angeblich verschwiegen haben.
Turbulent ging es bei den Bankgenossen in Südthüringen schon öfters zu. So mußte die VR-Bank 2021 per einstweiliger Verfügung gezwungen werden, eine Prüfung für die BVR-Sicherungseinrichtung durch Deloitte zuzulassen. 2018 wurden staatsanwaltliche Ermittlungen gegen den Vorstandschef gegen Zahlung einer Geldauflage von 240.000 Euro eingestellt. Auf Basis einer Allgemeinverfügung der BaFin wurden die Genossenschaftsanteile der 18.626 Kleineigentümer nun eingefroren. Die Zukunft der VR-Bank mit ihren 23 Standorten, 255 Mitarbeitern und elf Azubis ist ungewiß. 2022 sank die Zahl der BVR-Institute fusionsbedingt um 35. Aber wer will die „Effenberg-Bank“ freiwillig haben?