Über die Signa-Gruppe wird man noch lange nach ihrem Untergang sprechen. Das verschachtelte Gebilde mit unübersichtlichen Beteiligungsverhältnissen und einem weitreichenden Aktivitätsspektrum, das neben dem Halten und Entwickeln von Immobilien auch eine große Handelssparte umfaßt, besteht aus über 1.000 Einzelgesellschaften. Zusammengehalten wurde das Gebilde durch die Persönlichkeit des Tiroler Selfmade-Milliardärs René Benko. Was wir jetzt erleben, ist die Auflösung seines im Jahr 2000 gegründeten Imperiums im Zeitraffer.
Diese wird von viel Häme und Schadenfreude begleitet. Ist der „Wunderwuzzi“ an seiner Hybris oder an der Ungunst der Verhältnisse gescheitert? Für diese Erklärung spricht, daß die Signa nicht der einzige Projektentwickler ist, der an der rapiden Verschlechterung des Umfeldes gescheitert ist. Der sprunghafte Anstieg von Zinsen und Baukosten hat bereits zu zahlreichen Insolvenzen geführt, darunter Gerchgroup, Euroboden und Development Partner.
Für die Signa hatte das Projektentwicklungsgeschäft bis zuletzt eine sehr große Bedeutung. Der Wert der im Bau befindlichen Projekte, darunter der spektakuläre Hamburger Elbtower, wird auf 25 Milliarden Euro geschätzt. Der Wert des gesamten Immobilienbestandes der Gruppe liegt kaum höher. Das zeigt, daß die Signa mit ihrem gigantischen Projektentwicklungsportfolio ungebremst in die Krise geschlittert ist. Das ist ein Versagen ihres Risikomanagements: Es ist nicht immer Sommer, und spätestens nach der ersten Corona-Ausgangssperre hätte man in den Sicherheitsmodus schalten sollen.
Auf Änderung des Marktumfeldes nicht rechtzeitig reagiert
Während die Baupreise und Zinsen durch die Decke schossen, verschlechterten sich die Vermietungs- und Verkaufsperspektiven der Signa-Projekte immer weiter. Dazu hat auch der strukturelle Wandel bei den Gewerbeimmobilien beigetragen (Telearbeit, Einkauf im Internet). Die Zinswende hätte außerdem eine sehr deutliche Abwertung der Signa-Immobilienbestände nach sich ziehen müssen. Es scheint aber, daß dieser Effekt bislang noch kaum in den Bewertungen eingepreist ist.
Die Signa war auf eine wesentliche Verschlechterung des Immobilienumfeldes denkbar schlecht vorbereitet, und sie hat auch nicht reagiert, als die negativen Anzeichen dafür unübersehbar wurden. Das ist eine Folge ihres dysfunktionalen Systems der Unternehmensführung: eine charismatisch geführte Ein-Mann-Show, für die die persönlichen Beziehungen Benkos zu Investoren und Politikern entscheidend sind. Er hatte einen wahrhaft illustren Kreis von Investoren und politischen Unterstützern für seine Unternehmungen gewinnen können. Investiert haben unter anderem Wendelin Wiedeking (früher VW, Porsche), der Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne, der Unternehmensberater Roland Berger und die 2019 verstorbene Formel-1-Legende Niki Lauda. Hans Peter Haselsteiner – der frühere Chef des Familien-Baukonzerns Strabag und Großspender der liberalen Neos – stockte noch 2021 seinen Anteil an der inzwischen insolventen Signa-Holding von 10,1 auf 15 Prozent auf.
Eine systematische „politische Landschaftspflege“ diente der Absicherung und Türöffnung. Dabei wurden die Regeln guter Unternehmensführung mißachtet. Der österreichische Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) hat sich als Beirat der Holding und Aufsichtsrat zweier Signa-Gesellschaften durch zusätzliche Millionenhonorare für Beratungs- und Vermittlungsdienste angreifbar gemacht. Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat die Signa bei der Suche nach Investoren unterstützt und dafür ein Erfolgshonorar von 2,5 Millionen Euro in Rechnung gestellt.
Ein strukturelles Problem der Signa sind die großen Überschneidungen zwischen der Handels- und der Immobiliensparte. Die Doppelrolle als Vermieter und Mieter bringt erhebliche Interessenkonflikte mit sich. Die Folge war ein dysfunktionales System der Unternehmensführung, in dem eine ausreichende Kontrolle der Signa-Gruppe weder intern noch extern durch die Finanzöffentlichkeit gewährleistet ist. So wurde auch das Geschäftsmodell der Gruppe als solches nie einer kritischen Prüfung unterzogen. Die vielfältigen Aktivitäten bilden eine Kombination von Immobilien, Handel, Luxus und Sport, die irgendwie von der Marktgröße, der Diversifizierung, von Innovation und Digitalisierung profitieren sollen. Ein solches unzureichend fokussiertes Geschäftsfelderportfolio kann leicht zu einer Überforderung der Leitungsorgane führen, und bei der Signa traf es auf ein System der Unternehmensführung mit erheblichen Schwachstellen.
Schaut man sich den Immobilienmix der Signa-Gruppe mit ihren Kaufhäusern, Büroimmobilien, Luxushotels und gemischt genutzten Objekten näher an, so fällt auf, daß es sich größtenteils um Leuchtturm-Immobilien („Trophy assets“) in Spitzenlagen von Metropolen handelt wie zum Beispiel das New Yorker Chrysler Building, den Hamburger Elbtower, das Düsseldorfer Carsch-Haus, das Hotel Bauer in Venedig oder das „Goldene Quartier“, eine Luxus-Einkaufsmeile in der Wiener Altstadt.
Bei den Luxuskaufhäusern (in Deutschland: Alsterhaus/Hamburg, KaDeWe/Berlin, Oberpollinger/München) und den Luxushotels wurden durch europaweite Zukäufe und Projektentwicklungen betriebswirtschaftlich sinnvolle Schwerpunkte gebildet. Das ist der rationale Kern des Benko-Geschäftsmodells: Der Luxus, das Besondere, Herausragende, Einmalige, nicht Reproduzierbare – verkörpert in der Architektur der Gebäude wie auch in ihrer Ausstattung und Nutzung. Aber dieser Ansatz wurde nicht konsequent durchgehalten. Dazu paßten weder GaleriaKarstadtKaufhof (GKK) noch die Schweizer Globus-Kaufhäuser.
Kein „Lehman-Moment“ der Immobilienwirtschaft
Die Signa-Holding strebt eine Insolvenz in Eigenverantwortung an. Das ist wegen des Vertrauensverlustes ihrer Gläubiger in das „maximal intransparente“ Signareich wohl unrealistisch. Es ist unklar, ob es gelingen wird, die vielen Tochtergesellschaften zu stabilisieren und Dominoeffekte zu vermeiden. Die deutschen Großbaustellen stehen seit Wochen still, und bei ihrer Fortführung drohen Kostensteigerungen zwischen 30 und 50 Prozent. Die Signa-Anteilseigner, darunter auch deutsche Landesbanken, die Baufirmen und Handwerker werden wahrscheinlich schwere Verluste erleiden.
Für den Rest der deutschen GKK-Kaufhäuser ist nach der Insolvenz der Schweizer Betreibergesellschaft das Ende näher gerückt – mit allen Folgen für die betroffenen Mitarbeiter und die Standortkommunen. Fast 700 Millionen Euro Staatshilfen sind wegen wertloser Sicherheiten verlorengegangen. Die Signa-Pleite ist zwar kein „Lehman-Moment“ der Immobilienwirtschaft, aber Banken und Investoren dürften sich in Europa mit Engagements im Gewerbeimmobiliensektor jetzt noch stärker zurückhalten. Sie haben sicher die Entwicklung in den USA im Blick, wo die Krise deutlich weiter fortgeschritten ist. Für Benko geht es jetzt nur noch um seine Rolle in den Geschichtsbüchern. Als großer Unternehmer wird man sich seiner eher nicht erinnern, aber vielleicht doch als Schöpfer oder Wiederbeleber von einigen stadtbildprägenden Immobilien.