© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/23 / 08. Dezember 2023

Hort des Ungeistes
Israelhaß im Gewand der Critical Whiteness an deutschen Hochschulen: Wie linksextreme Studenten die Berliner Universität der Künste für Propaganda zum Gaza-Konflikt instrumentalisieren
Fabian Schmidt-Ahmad

Rund hundert Studenten, dem Aussehen nach zumeist ohne Migrationshintergrund, versammelten sich am 13. November zu einer drastischen Performance im Foyer der Universität der Künste in Berlin (UdK). Schwarz gekleidet, mit blutrot gefärbten Händen, brachten sie ihre Wut über „die anhaltende Gewalt gegen das palästinensische Volk“ zum Ausdruck. Die mitgebrachten Plakate verrieten gleich den an der identitätspolitischen Critical Whiteness angelehnten Duktus: „Stop colonialism“ neben „Condemn genocide“ und „Free Palestine“.

Eine Aktion mit doppeltem Symbolcharakter, gewissermaßen mit „Dual use“-Fähigkeit, zugleich Linksradikale wie Islamisten anzusprechen. „Israel hat mehr als 25.000 Tonnen Sprengstoff in weniger als zwei Monaten über den Gazastreifen abgeworfen“, heißt es in dem aufgebrachten Schreiben der Gruppe. „Das entspricht einem Äquivalent von zwei Atombomben oder der anderthalbfachen Explosionskraft von Hiroshima.“ Die Folge davon: „Israel hat 19.385 Palästinenser getötet und fast 35.620 verletzt. Das bedeutet, mehr als einer von 142 palästinensischen Zivilisten, die in Gaza leben, wurde in nur anderthalb Monaten getötet.“

Das jüngste Auflammen des Nahost-Konfliktes strahlt auch in die deutschen Hochschulen hinein. Dabei sind es nicht nur arabische Studenten, die hier auffällig sind, sondern oft deutsche Akademiker, die sich in den allgegenwärtigen linken Strukturen bewegen. Die gespaltene Haltung der deutschen Linken zu Israel spiegelt sich wider. Seit Wochen tobt unter den Studenten ein Richtungsstreit zum Vorgehen der israelischen Armee im Gazastreifen.

Auslöser waren die sehr dünn gehaltenen Stellungnahmen der UdK-Leitung zum Gaza-Konflikt mit zeitweilig eingeblendeter Israel-Fahne: Die erste kam am 10. Oktober, drei Tage nach dem Überfall: „Die UdK ist tief betroffen und bestürzt über die gewalttätigen Angriffe der Hamas auf Israel.“ Und weiter: „Unsere Gedanken sind bei den Opfern, Verletzten und entführten Geiseln sowie ihren Freund*innen und Familien.“ Auffällig ambivalent heißt es: „Mit Sorge blicken wir auf die politischen Entwicklungen.“ Zwei Wochen später – da war der Konflikt längst nach Deutschland übergeschwappt – heißt es: „Die UdK schließt sich der Erklärung der Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten der Berliner Hochschulen (LKRP) an und wendet sich gegen Antisemitismus und jegliche andere Form von Diskriminierung.“ In dieser ist unter anderem zu lesen: „In der Folge des Terrors zeigt sich aktuell ein offen und verstärkt auftretender Antisemitismus in Berlin – auch an den Hochschulen der Stadt.“ Und weiter: „Die LKRP Berlin wendet sich gegen Antisemitismus in jeglicher Form. An den Berliner Hochschulen ist kein Platz für Antisemitismus und jegliche andere Form von Diskriminierung aufgrund der Nationalität und ethnischen Zugehörigkeit, der Religion und Weltanschauung, der sozialen Herkunft, des Alters, einer Behinderung oder gesundheitlichen Beeinträchtigung, des Geschlechts und der sexuellen Orientierung.“ Also alles eigentlich sehr vorsichtig und im linken Zeitgeist gehalten. So könnte man meinen, hier werde nur eine Selbstverständlichkeit formuliert: „Jüdisches Leben auf dem Campus darf nicht gefährdet sein, jüdische Forscherinnen und Forscher, Lehrende und Studierende müssen sich an allen Hochschulen sicher fühlen können.“ Ein großer Teil der Studentenschaft, der unter dem Motto „Nicht in unserem Namen – UdK“ daraufhin einen wütenden Protest initiierte, fühlte sich damit aber nicht gemeint.

UdK-Präsident Palz wird von den Demonstranten niedergebrüllt

Kein Wort davon, daß der Militäroperation ein Pogrom gegen Juden voranging, daß Hunderte israelische Staatsbürger nach Gaza verschleppt wurden, daß die israelische Armee Fluchtkorridore öffnete. Stattdessen eine Aneinanderreihung von ungeheuren Vorwürfen: „Bei 8.005 der getöteten Palästinenser handelt es sich um Kinder, bei 62 um Journalisten, 210 waren im Gesundheitswesen tätig.“ Alles das sei ein „Genozid wie aus dem Lehrbuch“, verstiegen sich die Autoren des Pamphlets. 

Bemerkenswert war auch der Verweis der Studenten, mit ihren blutigen Händen „der Opfer der israelischen Militäroperation“ zu gedenken. Für Islamisten sind nämlich die blutroten Hände ein ganz anderer Code. Am 12. Oktober 2000 verirrten sich zwei israelische Soldaten auf Patrouille und wurden zunächst auf einer Polizeistation in Ramallah festgesetzt. Ein wütender Mob stürmte das Gebäude und riß den Unglücklichen die Augen aus und innere Organe aus dem Leib. Zum Beweis präsentierte einer der Mörder seine blutigen Hände der johlenden Menge, was ein zufällig anwesendes italienisches Fernsehteam festhielt. Seitdem gelten die roten Hände unter radikalen Moslems als ein Zeichen der unversöhnlichen Feindschaft zu den Juden. Ähnlich wie bei Islamfunktionären die jeweiligen Reden auf englisch und auf arabisch an ein sehr unterschiedliches Publikum gerichtet sein können, tragen die blutigen Hände also eine doppelte Botschaft, je nach Adressaten. 

Dem gewöhnlichen linken Studenten dürften diese Feinheiten jedoch entgehen. Dieser hört womöglich aus dem Schlußplädoyer der Gruppe am 13. November nur die übliche linke Utopie heraus: „Wir als Palästinenser, Juden und Verbündete stehen vereint da in unserem Ruf nach einer Vision der kollektiven Befreiung, die nur dadurch zustande kommen kann, indem die fortdauernde Massenvernichtung der Palästinenser, die Aufhebung der Belagerung von Gaza (dem größten Konzentrationslager der Welt laut der UN mit zweieinhalb Millionen Häftlingen) und die 75jährige israelische Kolonialbesatzung mit der Erklärung der gleichen demokratischen Rechte für alle endet.“ Als der zuvor zaghaft den Demonstranten entgegentretende Uni-Präsident Norbert Palz die Stellungnahme der UdK zum Gaza-Konflikt erklären wollte, wurde er immer wieder niedergebrüllt. „Condemn the genocide!“ – „Verdamme den Völkermord!“ wurde Palz von dem wütenden Mob aufgefordert.

So viel fanatisierter Eifer, der auf Wahrheit keine Rücksicht nimmt, schafft natürlich Ängste. Seitdem die umtriebige Hochschulgruppe zum „Studentenstreik“ aufgerufen hat und wöchentliche Proteste durchführt, fühlen sich jüdische Kommilitonen verunsichert. „Uns erreichen viele sorgenvolle Briefe und Anrufe von jüdischen Studierenden, die durch einen massiven Zuwachs von sichtbarem und spürbarem Antisemitismus in Angst sind“, heißt es in einer weiteren Stellungnahme der Universitätsleitung. „Dieser tiefsitzenden Angst begegnen wir mit einer klaren Haltung.“ Allerdings beeilt sich die Leitung gleich im nächsten Absatz zu versichern: „Ebenso erreichen uns Mitteilungen von Studierenden mit muslimischem oder palästinensischem Bezug, die ihrer persönlichen Betroffenheit oder Angst vor Diskriminierung Ausdruck verleihen.“ 

Wer sich da von wem diskriminiert fühlen könnte, bleibt völlig im dunkeln. Stattdessen wird auf die universitätsinterne „Anlaufstelle bei Diskriminierung und Gewalt“ sowie die Beauftragte für Diversität und Diskriminierung verwiesen. „Dieser Brief steht im Zeichen der Bewahrung inneruniversitären Friedens, den wir nur zusammen erreichen können.“ Seitdem treffen sich vorwiegend mittwochs die Demostranten mit dem obligatorischen Palästinensertuch in der Cafeteria im dritten Stock des UdK-Hauptgebäudes in Steinwurfweite zum Berliner Bahnhof Zoo. Gegenüber der Presse herrschen starke Vorbehalte, weil diese in der Regel „proisraelische Narrative“ verbreite. Journalisten, die den „Safe Space“ der Universität mißachteten, sollten keine Stellungnahmen gegeben werden. Ein „Achtsamkeitsteam“ setzte vergangene Woche kurzerhand ein Welt-Reporterteam an die Luft.   

Begonnen hatten die Proteste übrigens mit einer Petition von Udi Raz, einer jüngst vom Jüdischen Museum Berlin entlassenen Museumsführerin und dem neugegründeten „Student Collective Berlin“ am 31. Oktober. Von Protestaktionen mit Plakaten, die Israels Vorgehen anprangern vor der UdK, der Technischen Universität, der Freien Universität und der Charité, reichten die Veranstaltungen bis über unangekündigte Demos, bei denen Studenten sich in Leichentücher gehüllt und mit symbolischen Palästinenserschals geschmückt auf den Boden legten. Die Zahl der Teilnehmer und der Veranstaltungen nahm jedoch seit Mitte November ab. Zuletzt trafen sich 13 Studenten am 3. Dezember an der Kunsthochschule Weißensee. Weitere Aktionen sind bisher nicht angekündigt. Vielleicht haben einige Studenten doch daraus gelernt.





Kritische Reaktionen auf die UdK-Proteste

» Das ist irre. Und gleichzeitig deckt es sich mit meinen Erfahrunge n in der ‘Kunstszene’ und dem ‘Milieu’. Da werden alte antisemitische Traditionen aus der Linken kultiviert wie nie zuvor. Und die #UdK kommt dabei immer wieder vor. Das kann nicht so bleiben. Konsequenzen! «

Wolf Lotter, ORF-Programmrat, taz-Kolumnist, Spiegel- und Wirtschaftswoche-Autor


» Wo man Bäumen beim Sprechen zuhört, grundsätzlich den Medien mißtraut und das eigene Unwissen überbrüllt. Klingt nach Corona-Spinner, ist aber die UdK Berlin. «

Deniz Yücel, Journalist


» Es kann einem nur eiskalt den Rücken runterlaufen, wenn israelische Studierende sich nicht mehr an ihrer eigenen Uni trauen, in Lehrveranstaltungen zu gehen oder, geschweige denn, Kippa zu tragen oder Hebräisch zu sprechen. «

Sebastian Weise, Grüne Charlottenburg-

Wilmersdorf


» Postkoloniale Ideologien führen direkt in die Unmenschlichkeit. Die Beispiele häufen sich. Jetzt sind es die Studenten der Universität der Künste in Berlin, die ihre jüdischen Kommilitonen bedrohen. Eine Bankrotterklärung!. «

Susanne Schröter, Lehrstuhlinhaberin im Ruhestand, Direktorin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam


» Solche Leute haben an der Uni nichts verloren. Das hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun. Antisemitismus und Israel-Haß sind widerwärtig. Da muß dringend ein Stopp-Schild her – die Exmatrikulation! «

Adrian Grasse (CDU), Hochschul-Experte


» Durch den Terrorangriff der Hamas ist ein schamloser #Antisemitismus auch an Hochschulen in Deutschland sichtbar geworden. Das ist unerträglich, und wir müssen uns dem klar entgegenstellen. #NieWiederIstJetzt «

Bettina Stark-Watzinger, Bundesbildungsministerin (FDP)