© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/23 / 08. Dezember 2023

Trans Dampf in allen Gassen
Gesellschaftspolitik: Die Ampel bringt nicht viel zustande, da muß sie wenigstens das „Selbstbestimmungsgesetz“ durchboxen
Christian Vollradt

Es ist die Zeit des Wünschens, aber dieser eine wird für den Queer-Beauftragten der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), wohl nicht in Erfüllung gehen. Wie andere Interessenvertreter auch wollte der Staatssekretär im Familienministerium so gern, daß das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz noch in diesem Jahr vom Bundestag beschlossen wird. Die Zeit dafür ist allerdings knapp, denn dann müßten in der kommenden Woche, der letzten Sitzungswoche des Parlaments in diesem Jahr, die 2. und 3. Lesung des Regierungsentwurfs stattfinden. Bei Redaktionsschluß stand das jedoch nicht auf der Tagesordnung. 

Als nächster Termin wäre Mitte Januar möglich, wenn das Plenum erstmals 2024 zusammentritt. Bereits im Sommer hatten Lobbygruppen ungeduldig gedrängelt. Ihr Ziel ist das endgültige Aus für das Transsexuellengesetz von 1981, dessen Abschaffung die Ampel-Parteien bereits im Koalitionsvertrag vereinbart hatten (JF 21/22). Und während es sonst an allen Ecken und Enden knirscht im Regierungsgebälk, herrscht beim Thema gesellschaftspolitische Runderneuerung eitel Sonnenschein in der selbsternannten Fortschrittskoalition. 

Daß Reformbedarf besteht, ist unbestritten, seit das Bundesverfassungsgericht nahezu die Hälfte der Bestimmungen des Transsexuellengesetzes für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt hatte. Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz soll nun aber die letzte Bastion fallen: Daß nämlich, wer dauerhaft im Personenstandsregister Geschlecht und Vornamen ändern lassen möchte, zwei psychiatrische Gutachten vorlegen muß. Künftig, so der Kern der Reform, soll es ausreichen, daß jeder, der möchte, die Änderung seines Vornamens und des Geschlechtseintrags per Erklärung gegenüber dem Standesamt veranlassen kann. Bisher waren dafür noch Amtsgerichte zuständig. Bald soll es ausreichen, daß die betreffende Person vor dem Standesbeamten versichert, daß „der gewählte Geschlechtseintrag beziehungsweise die Streichung des Geschlechtseintrags ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht“ und „ihr die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewußt ist“.  Frühestens nach einem Jahr kann man das Ganze wieder rückgängig machen lassen, wobei sämtliche Personaldokumente, Urkunden und Zeugnisse erneut komplett geändert werden. Auch für Minderjährige ab 14 Jahren soll das – mit Einschräkungen – gelten. Manchen Bundesländern geht das noch nicht weit genug. So monierte die Länderkammer, daß es für Personen bis 14 Jahren allein dem elterlichen Willen überlassen sein soll, Geschlechtseintrag und Vornamen der Kinder zu ändern. Das stehe in „eklatantem Widerspruch etwa zur kindzentrierten Ausgestaltung familiengerichtlicher Verfahren“, kritisierte der Bundesrat in einer Stellungnahme. 

Eine Expertenanhörung zu den geplanten Neuerungen ergab ein unterschiedliches Echo. Nicht ungewöhnlich, da diese Fachleute meist anhand politischer Präferenzen von der jeweiligen Fraktion ausgewählt und eingeladen werden. Daß nach solchen Runden noch Maßgebliches am Gesetzentwurf geändert wird, ist eher die Ausnahme. Der Psychoanalytiker Bernd Ahrbeck etwa sah eine Gefahr für „hoffnungslos überforderte Kinder“, die in der Pubertät womöglich eine „Genderdysphorie“ zeigten, sich aber in den meisten Fällen später „mit ihrem ursprünglichen Geschlecht wieder versöhnten“. 

„Verantwortungslos und grob fahrlässig“

Die Betreiberinnen eines Autonomen Frauen- und Kinderhauses nannten es „verantwortungslos und grob fahrlässig“, daß „Männer, die sich als Frauen definieren, in Frauenhäusern aufgenommen werden“ könnten. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auf das im Gesetz ausdrücklich erwähnte Hausrecht, das ermögliche, einen Zugang zu verwehren. Wobei insbesondere aus der Trans-Lobby – vor allem mit Blick auf Sauna-Betriebe – der Einwand erfolgt, dieses Hausrecht dürfe nicht dem Antidiskrimininierungsgesetz widersprechen, also „Trans-Personen“ nicht pauschal ausgrenzen.

Und wie so häufig schafft der Abbau einer vermeintlichen oder tatsächlichen Diskriminierung neue Ungleichbehandlungen. So könnte nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes ein Mann namens „Christian“ zwar durch die einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt zur Frau namens „Christiane“ werden. Wünscht dieselbe Person indes lediglich, seinen Vornamen (unter Beibehaltung seines biologischen Geschlechts) zum Beispiel von Christian in Christoph ändern zu lassen (weil ihm das besser gefallen würde), so muß er gemäß dem nach wie vor geltenden Namensänderungsgesetz dafür einen triftigen Grund nennen. Und: Bevor eine Änderung möglich ist, sind „die für die Entscheidung erheblichen Umstände von Amts wegen festzustellen“. Im Klartext, ohne das Placet der Behörde muß der Betreffende seinen alten Vornamen behalten. Es sei denn, er ändert sein Geschlecht, dann dürfte ihm „von Amts wegen“ niemand mehr Steine in den Weg legen. 

Das Bundesjustizministerium teilte auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT dazu mit, daß auch das neue Selbstbestimmungsgesetz „keine voraussetzungslose Namensänderung“ erlaube, sondern dies an „spezifische Voraussetzungen geknüpft“ sei, nämlich als Folge einer Änderung des Geschlechteintrags im Personenstandsregister. „Selbstbestimmungsgesetz und Namensänderungsgesetz regeln unterschiedliche Fälle der Namensänderung, die an unterschiedliche inhaltliche Voraussetzungen geknüpft sind; diese Unterschiede rechtfertigen auch Unterschiede im Verfahrensrecht“, so eine Sprecherin des Ministeriums. Auch ein Hin und Her bei den Vornamen im Falles des abermaligen Geschlechtswechsels soll nicht möglich sein. Wird „Christian“ zu „Christiane“ und will dann doch wieder ein Mann werden, muß er erneut „Christian“ heißen und darf sich nicht zum Beispiel „Horst“ nennen. 

Das ist bemerkenswert, da es nach dem neuen Gesetz künftig für andere mit einer Geldbuße strafbewährt sein soll, den früheren Namen und das frühere Geschlecht des Betreffenden gegen dessen Willen zu offenbaren. Das Bundesjustizministerium stellte klar: „Das Offenbarungsverbot gilt unabhängig von der Anzahl der Änderungserklärungen.“ Zu erwähnen, daß – um beim Beispiel zu bleiben – „Christian“ schon früher „Christian“ hieß, könnte ein juristisches Wagnis werden, sofern „Christian“ zwischenzeitlich „Christiane“ war – was natürlich ohne Einverständnis ebenfalls nicht offenbart werden darf.