Die Angst ist zurück auf den deutschen Weihnachtsmärkten. Wenige Tage vor dem siebten Jahrestag des Terroranschlags auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016, bei dem 13 Menschen getötet worden waren, ist die Öffentlichkeit innerhalb weniger Tage von zwei möglicherweise vereitelten Anschlägen auf solche Einrichtungen aufgeschreckt worden.
Am Mittwoch vergangener Woche hatte die Polizei zwei Jugendliche im Alter von 15 und 16 Jahren festgenommen. Der Vorwurf: Die beiden aus Afghanistan und Tschetschenien stammenden Heranwachsenden sollen einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Leverkusen geplant haben. Als Vorbild für die Attacke soll der Berliner Attentäter Anis Amri gedient haben, der einen Lastwagen in die Verkaufsstände und Buden am Breitscheidplatz gesteuert hatte. Bei dem Tschetschenen haben die Beamten offenbar vier abgelaufene Duldungsbescheinigungen gefunden.
Verdächtiger sollte abgeschoben werden
Die mutmaßlichen Islamisten, die in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg wohnten, sollen sich laut der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf verabredet haben, „mittels einer durch Brennstoffe erzeugten Explosion eines Kleinlasters Anfang Dezember Besucher eines Weihnachtsmarktes in Leverkusen zu töten.“ Den beiden wird die Verabredung zu heimtückischem Mord aus niedrigen Beweggründen in Tateinheit mit der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen.
Sie sollen sich an den Zielen und Vorgehensweisen des sogenannten Islamischen Staats (IS) orientiert haben. Die Jugendlichen sollen zudem geplant haben, nach dem Anschlag Deutschland zu verlassen, um sich dem IS-Ableger „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ anzuschließen. Zu der geplanten Tat haben sich die Jugendlichen offenbar über einen Telegram-Kanal verabredet, über den sie auch zum „Heiligen Krieg“ aufgerufen haben sollen. Der Hinweis auf die Anschlagsplanungen in einer islamistischen Gruppe auf Telegram kam nach Informationen der Welt vom österreichischen Nachrichtendienst.
Ende vergangener Woche war zudem bekanntgeworden, daß die Polizei bereits am 21. November im niedersächsischen Helmstedt einen 20 Jahre alten Iraker unter Terrorverdacht festgenommen hat. Laut NDR, der sich auf Informationen aus Sicherheitskreisen beruft, soll der Mann darüber nachgedacht haben, Besucher eines Weihnachtsmarktes in der Landeshauptstadt Hannover mit einem Messer zu attackieren. Was der Mann offenbar nicht wußte: Er stand kurz vor der Abschiebung. Diese war nach Angaben des Innenministeriums von Sachsen-Anhalt, wo der Asylbewerber untergebracht war, „in Abstimmung mit der Bundespolizei“ für den vergangenen Freitag vorbereitet worden. Der Mann habe vor seiner Festnahme von diesem Termin nicht gewußt. Zuvor hatte der Iraker demnach Klage gegen die Abschiebe-Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge beim Verwaltungsgericht Magdeburg eingereicht. Das hatte den Asylantrag des 20jährigen am 21. November 2023 als offensichtlich unbegründet abgelehnt, berichtet der NDR.
Die beiden Anschlagsplanungen in Hannover und Leverkusen haben die deutschen Sicherheitsbehörden alarmiert. Die Terrorgefahr in Deutschland wird von den Behörden infolge des Terrorangriffs der Hamas auf Israel und der Gegenreaktion des israelischen Militärs als so hoch wie lange nicht eingeschätzt. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, äußerte sich extrem besorgt über die aktuelle Situation. „Wir beobachten bereits seit längerem den erklärten Willen von Islamisten, Anschläge im Westen zu verüben, und ich habe immer wieder betont, daß jeden Tag auch in Deutschland ein islamistischer Anschlag verübt werden kann“, sagte Haldenwang. „Doch nun zeichnet sich eine neue Qualität ab.“
Im dschihadistischen Milieu beobachten die Sicherheitsbehörden demnach Aufrufe zu Attentaten. Außerdem wollen nach Einschätzung des Verfassungsschutzes Terrorgruppen wie Al-Kaida und die Terrormiliz IS den Nahostkonflikt für ihre Zwecke nutzen. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, um potentielle Planungen gegen die Sicherheit von Jüdinnen und Juden, israelische Einrichtungen, aber auch Großveranstaltungen zu durchkreuzen“, sagte der Verfassungsschutzpräsident. Als „Trigger-Ereignis“, das radikalisierte Einzeltäter aus der dschihadistischen Szene zu Anschlägen bewegen könnte, ordnen die Sicherheitsbehörden auch Koranverbrennungen in Schweden ein, die dort Ausschreitungen ausgelöst haben.
Wie angespannt die Situation derzeit ist, zeigte sich am Samstag im baden-württembergischen Göppingen. Nach einer telefonischen Drohung wurde der dortige Weihnachtsmarkt von der Polizei geräumt. Unterdessen ist eine Diskussion darüber entbrannt, wie die Sicherheit auf den Märkten verbessert werden kann. Seit dem Anschlag vom Breitscheidplatz werden Weihnachtsmärkte vielerorts bereits durch Betonbarrieren („Merkelsteine“) oder Poller gesichert. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke, rät nun dazu, Weihnachtsmärkte häufiger per Video zu überwachen. „Videoüberwachung auf Weihnachtsmärkten ist ein hilfreiches Mittel, das intensiv unter dem Einsatz bester Technik genutzt werden sollte“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das sei bislang nur vereinzelt der Fall, weil oftmals aufgrund des Datenschutzes eine präventive Videoüberwachung nicht möglich sei.
Traurige Aktualität hat die von gewaltbereiten Islamisten ausgehende Gefahr zudem durch den Tod eines jungen deutschen Touristen am vergangenen Wochenende in Paris erhalten. Der polizeibekannte Attentäter hatte während seines Messerangriffs mehrfach „Allahu Akbar“ gerufen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bekräftigte gegenüber der Funke-Mediengruppe, Deutschland kämpfe Seite an Seite mit Frankreich gegen den islamistischen Terror. Die „Gefahr weiterer Emotionalisierung und Radikalisierung“ von Gewalttätern durch den Krieg in Gaza nach dem Terror der Hamas sei hoch, so Faeser. Islamistische Gefährder müsse man genau im Blick behalten und weitere Radikalisierungsprozesse verhindern.