© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/23 / 01. Dezember 2023

Kabinenklatsch
Ein Fußball-Leben
Ronald Berthold

Füher hieß es: „Sei fair zum 23. Mann – ohne Schiri geht es nicht.“ Das war etwa die Zeit, als Felix Brych sein erstes Zweitligaspiel begleitete. 22 Jahre ist das her. Drei Jahre später stieg er in die Bundesliga auf, pfiff dort am Sonnabend zum 344. Mal eine Partie und stellte damit den Rekord von Wolfgang Stark ein. Aber gibt es noch ein weiteres Spiel für den 48jährigen? Denn er zog sich einen Kreuzbandriß zu und dürfte bis zum Saisonende ausfallen. Eigentlich lag die Altersgrenze für Schiedsrichter bei 47 Jahren. Das wurde im Februar durch eine Klage von Manuel Gräfe gekippt.

Ich würde Brych wünschen, daß er noch einmal pfeifen kann. Als ich über den promovierten Juristen nachdachte, kam mir in den Sinn, was der Münchner schon so alles erlebt hat. Als er begann, gab es noch keine Torlinientechnik. Er mußte mit seinen Linienrichtern ganz allein entscheiden, ob der Ball im Tor war oder nicht. Das ging einmal schief: 2013 erkannte er einen Treffer an, den der Leverkusener Stefan Kießling von außen durchs Netz geköpft hatte. Das berühmte „Phantomtor“. 

Es existierte auch noch kein Videobeweis, den der DFB erst 2017 einführte. „Schieber, Schieber!“-Rufe, wie sie auch Brych hören mußte, gehören der Vergangenheit an. Der Videoassistent hat den Fußball gerechter und den Schiris die Arbeit leichter gemacht. Auch das Freistoßspray, über das wir vor neun Jahren herzlich lachten, gab es nicht, als Brych begann. Der Anstoß mußte noch die Mittellinie überqueren, und kein Verteidiger durfte beim Abstoß im Strafraum stehen. Seitdem der nun Verletzte pfeift, haben sich die Regeln ziemlich verändert und, wie ich finde, verbessert. Gute Besserung, lieber Felix Brych.