© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/23 / 01. Dezember 2023

Chinas nicht humanitäre, nicht feministische Außenpolitik
Ende der Gewißheiten
(dg)

Beide Ukraine-Abstimmungen in der UN-Vollversammlung haben 2022 demonstriert, wo die Frontlinien im „neuen Systemkonflikt“ zwischen dem „autoritären Osten und dem liberalen Westen“ verlaufen. Zum „autoritären Lager“ zählen für den emeritierten Politologen Ulrich Menzel (Braunschweig) demnach jene 52 Staaten, die sich der Verurteilung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine nicht anschlossen. Menzel will darin das „Ende der Gewißheiten“ erkennen, die nicht nur die internationalen Beziehungen seit 1945 bestimmt haben, sondern auch das Weltbild der deutschen Politikwissenschaft (Blätter für deutsche und internationale Politik, 9/2023). Dessen Zentrum bildete das „normative Grundverständnis“, daß Krieg kein Mittel der Politik mehr sein dürfe. Woraus sich das Mantra ableitete, der Weltfriede sei um so sicherer, je mehr demokratisch verfaßte Staaten es gebe. Westliche „Demokratisierungspolitik“ erlaubte dafür sogar militärische „Regimechanges“. Solche Axiome erweisen sich für Menzel genauso als Chimäre wie der Glaube an die neoliberale Propaganda von der Friedensdividende der Globalisierung. Hingegen werde der neue, realpolitisch fundierte Imperialismus des russischen Seniorpartners China gerade von Autokraten im globalen Süden akzeptiert, weil er nicht „humanitär konditioniert“ sei. 


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