© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/23 / 01. Dezember 2023

Leerformeln zur Verklärung des Friedens von Münster
Historische Unbildung
(ob)

Nicht alle Peinlichkeiten im Auswärtigen Amt (AA) gehen auf Annalena Baerbocks (Grüne) Kappe. So war nicht sie es, die im November 2022 dafür sorgte, daß das Ratskreuz im Friedensaal des Rathauses zu Münster rechtzeitig vor dem Außenministertreffen der G-7-Staaten abgehängt wurde. Für diesen singulären Unterwerfungsakt mit Rücksicht auf den „unterschiedlichen religiösen Hintergrund“ der Teilnehmer zeichneten vielmehr ihre subalternen Protokollbeamten verantwortlich, was einiges über den im AA herrschenden woken Ungeist verrät. Damit beantwortet sich die zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens vom Frühneuzeit-Historiker Michael Rohrschneider (Bonn) gestellte Frage „Lernen aus der Geschichte?“ fast von selbst (Forschung & Lehre, 11/2023). Die politische Klasse schätze Historie bestenfalls als Kulisse für Selbstinszenierungen. So habe Frank-Walter Steinmeier als Außenminister wiederholt einen „Westfälischen Frieden für den Nahen Osten“ angeregt, und Bundeskanzler Olaf Scholz wollte vor kurzem angesichts des Ukraine-Krieges „Traditionen europäischer Friedensordnungen“ erneuern. Mehr als „Leerformeln“, die von historischer Unbildung zeugen, seien das nicht, da kein Anlaß zur „Verklärung“ des Friedens 1648 bestehe. Dieser biete zudem keinerlei Patentrezepte, um aktuelle Kriege beizulegen. 


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