Der seltsame römische Priesterkaiser Marcus Aurelius Antoninus (204 bis 222 nach Christus), später Elagabal genannt, hat einen denkbar schlechten Ruf. Durch einen Militärputsch kam der Großneffe Caracallas als 14jähriger auf den Thron, wurde aber im Senat, in der Bevölkerung und der Armee zunehmend gehaßt. Er stammte aus Syrien und war dort Erb- und Hohepriester des orientalischen Gottes Elagabal. In Rom versuchte er diesen Kult als Staatsreligion durchzusetzen, was das Volk sehr irritierte. Der Kaiser soll in fremdartiger Kleidung aus Seide getanzt haben, er schmückte sich, feierte angeblich Orgien.
Sein ausschweifendes Leben als bisexueller Dandy – mit angeblich vier bis fünf Ehen in vier Jahren, darunter eine Heirat mit dem Ex-Sklaven Hierocles und einer zur Keuschheit verpflichteten Priesterin (Vestalin), was als absolutes Tabu galt – geißelten Zeitgenossen und Historiker als Inbegriff der Dekadenz. Angeblich soll er sich sogar selbst in Tavernen und Bordellen prostituiert haben. Der englische Historiker Edward Gibbon schrieb, Elagabal habe sich „sich mit unbeherrschter Raserei den ekelhaftesten Vergnügungen“ hingegeben. Der Kaiser brachte es fertig, daß das Volk von Rom sich komplett gegen ihn wandte und die Oberschicht ihn entfernen wollte. Eine Tante organisierte eine Meuterei. Sein Ende kam, als seine eigene Prätorianergarde sich gegen ihn wandte und den 18jährigen und seine Mutter ermordete.
Nun aber kommt eine neue Volte, auf die Tragödie folgt die Farce. Der Kaiser sei in Wirklichkeit eine „Trans-Frau“ gewesen und habe die Pronomen „sie/ihr“ verwendet, behauptet ein englisches Provinzmuseum. Das North Hertfordshire Museum in der Kleinstadt Hitchin nördlich von London will Elagabal künftig als „sie“ bezeichnen. Das Museum mit einer winzigen Abteilung mit römischen Exponaten hat damit in den britischen Medien hohe Wellen geschlagen. Vom Daily Telegraph bis zu BBC, Times und Daily Mail haben alle berichtet.
Man könnte lachen, doch die Museumsleitung meint es ernst mit ihrer retrospektiven Umdeutung des flamboyant-schillernden Kaisers zur Transfrau, zu der sie sich nach einer Beratung durch die LGBTQ-Lobbygruppe Stonewall entschied. Keith Hoskins, Kulturstadtrat von den Liberaldemokraten im North Herts Council, sagte gegenüber der Times: „Elagabalus bevorzugte definitiv das ‘she’-Pronomen und daher werden wir dies widerspiegeln, wenn wir über sie sprechen.“ Das Museum besitzt eine Silbermünze mit dem Porträt des Elagabal, die es jetzt ausstellen werde als „eines der wenigen LGBTQ+Objekte“ der Sammlung. „Wir versuchen sensibel zu sein, die Pronomen für Personen in der Geschichte zu identifizieren, so wie wir das in der Gegenwart tun“, fügte Hoskins hinzu. Das sei „einfach höflich und respektvoll“.
Rassistische Vorbehalte wegen Herkunft und Kleidung
Eher lachhaft und unhistorisch sei das, finden Fachleute. Daß sich Texte von feindlich gesonnenen Zeitgenossen finden, namentlich die Darstellung des Cassius Dio, der angab, daß Elagabal als „Dame“, „Ehefrau“ und „Königin“ angesprochen werden wollte, sich wie eine Frau gekleidet und weibisch verhalten habe, das sei noch lange kein Beweis dafür, daß der Kaiser sich als Transfrau fühlte. Senator Cassius Dio war Hofchronist von Severus Alexander, des Nachfolgekaisers, der ein Interesse daran hatte, den ermordeten Vorgänger in ein schlechtes Licht zu rücken.
Cambridge-Professor Andrew Wallace-Hadrill stellte gegenüber der Times klar: „Die Römer hatten keine Idee von ‘Trans’ als Kategorie, aber sie haben Vorwürfe sexuellen Verhaltens ‘wie eine Frau’ als eine der schwersten Beleidigungen gegen Männer eingesetzt.“ Außerdem gab es gegen Elagabal rassistische Vorbehalte, weil er aus Syrien stammte und sich so kleidete. Die Althistorikerin Shushma Malik (ebenfalls Universität Cambridge) sieht es ganz ähnlich. „Es gibt viele Beispiele in der römischen Literatur, wo effeminierte Sprache und Wörter verwendet wurden, um eine politische Person zu kritisieren oder zu schwächen“, sagte sie in der BBC. Daß der Kaiser Make-up und Perücken getragen habe und sein Körperhaar rasiert habe, wurde kolportiert, um ihn im Volk noch unbeliebter zu machen. Daß Pronomen gewechselt wurden, habe es nur in mythologischen Erzählungen gegeben.
So blamiert sich die Provinzgalerie in Hitchin als unhistorisch und ungebildet, sie tappen in eine Propagandafalle. Die krampfhaften LGBTQ+Verrenkungen des kleinen Museums sind indes nur ein Symptom des großen Kulturkampfs, dessen propagandistisches Dauerfeuer auch die Umschreibung der Geschichte umfaßt und unsere Vorstellung von der Welt und vom Menschen verbiegen will.