Die Herstellung von Silizium ist ein energieintensiver Prozeß. Das weiß niemand besser als Stefan Bauer, Geschäftsführer der RW Silicium GmbH im niederbayerischen Pocking. Seit 1947 fließt hier 1.600 Grad heißes Silizium aus den Brennöfen, das in der Stahlindustrie eingesetzt wird. Doch damit könnte es bald vorbei sein. Das Unternehmen ist inzwischen eine Tochtergesellschaft der AMG Mining GmbH und gehört wie ihre Schwestergesellschaft Graphit Kropfmühl zur in den Niederlanden ansässigen Advanced Metallurgical Group (AMG). Diese prüft „in höchst intensiver Weise“, aber bisher ohne Erfolg, „wie wir die Produktion aufrechterhalten können“, zitiert das Handelsblatt AMG-Chef Heinz Schimmelbusch.
Daß Deutschlands letzter Produzent von metallurgischem Silizium vor dem Aus steht, ist keine Folge von Mißmanagement durch den 79jährigen Österreicher, sondern eine Folge der deutschen Energiewende. Denn während einerseits die EU-Kommission um jeden Preis das Staatenbündnis unabhängig von anderen Rohstofflieferanten und insbesondere China machen will und dafür Milliarden Euro einsetzen will, sorgt andererseits die Ampelkoalition in Berlin mit ihrer Klimapolitik dafür, daß bisher erfolgreich agierende Unternehmen in Deutschland keine Chance mehr haben.
Es ist eine Krise mit Ansage. Denn der Strom wird in Deutschland durch Kraftwerksabschaltungen und diverse Abgaben und Steuern künstlisch verteuert, während er beispielsweise in Frankreich durch den Staat faktisch subventioniert wird. „Unsere Wettbewerber unterbieten alles. Deshalb sind wir in Not“, sagt Bauer. Die Regelungen für deutsche Firmen seien „skandalös“, so der RW-Silicium-Chef im Privatsender Niederbayern TV Passau. Die französische Konkurrenz zahle nur ein Drittel der deutschen Strompreise. Vor hätten vor zwei Jahren die Stromkosten, um eine Tonne Silizium herzustellen, in Deutschland bei 600 Euro gelegen, waren es Anfang dieses Jahres schon 2.000 Euro.
„Strompreis tödlich für die Silizium-Metallproduktion“
Bereits im April waren in Pocking bei steigender Nachfrage nach metallurgischem Silizium mit einer Reinheit von 99,5 Prozent drei der vier Öfen stillgelegt worden, da das Werk nicht mehr kostendeckend arbeiten konnte. Im Januar und Februar ruhte die Produktion komplett. Aktuell macht der Strom die Hälfte der Herstellungskosten des wichtigen Grundstoffs aus, der für die Herstellung von Mikrochips, Solarzellen, Aluminiumlegierungen oder Silikonen benötigt wird. Während aber die Herstellung immer teurer wird, sinkt der Weltmarktpreis für Silizium mit einem hohen Reinheitsgrad. Aktuell liegt er bei 7,70 Euro pro Kilogramm. Im Februar schlug noch das Vierfache zu Buche.
Grund genug, für den Eigentümer die Reißleine zu ziehen: „Ein Strompreis auf dem aktuellen Niveau ist tödlich für die Silizium-Metallproduktion“, sagt Schimmelbusch, der seit 50 Jahren in der Metall- und Rohstoffbranche tätig ist. RW Silicium könne bei einem Strompreis von vier bis sechs Cent pro Kilowattstunde (kWh) kostendeckend arbeiten, nicht aber, wenn das Dreifache verlangt werde. Die Produktion sei daher nicht mehr rentabel. Die von Wirtschaftsminister Robert Habeck geplante Strompreisbremse für die energieintensive Industrie sollte den Preis zwar auf bis zu sechs Cent drücken, aber die Finanzierung ist unklar, seit das Bundesverfassungsgericht die Umwidmung von kreditfinanzierten „Sondervermögen“ kassiert hat.
Parallel dazu wenden sich in Pocking Geschäftspartner ab. So will die bayrische Wacker Chemie AG künftig mehr auf die eigene Silizium-Produktion in Norwegen setzen. Konkurrenz entsteht auch in Island, wo PCC BakkiSilicon ein Werk für Siliziummetall gebaut hat, was billige Energie aus geothermischen Kraftwerken nutzt und mit jährlich 32.000 Tonnen eine höhere Kapazität hat als das Werk in Niederbayern. Dabei wurde hier alles getan, um die Energiewende zu überstehen. Noch 2014 lobte der Spiegel das „staubige Gebäude am Rande Deutschlands“ als „smarte Fabrik“, in der per „Lastabwurf“ Stomnetzschwankungen ausgeglichen werden. Das Werk entlaste durch Produktionsverschiebungen Netzbetreiber und Stromversorger, die auf die schwankende Erzeugung von Solar- und Windkraft reagieren mußten. Damit verdiente RW Silicium sogar Geld, so Geschäftsführer Bauer, denn man erhalte dafür eine Prämie. Allerdings mußten die „Prämie“ die privaten Stromkunden über ihre Energierechnung bezahlen.
Als RW Silicium im Sommer die Produktion drosselte, brach die Stromnachfrage in der Region um Passau ein und es kam zu einer Überproduktion, in deren Folge die lokale Solarstromproduktion zeitweise abgeriegelt werden mußte. Sollte in Pocking auch der letzte Lichtbogenofen heruntergefahren werden, gehen nicht nur 120 Arbeitsplätze verloren, sondern es fehlen dann auch zehn Prozent des deutschen Bedarfs an Silizium: mehr als 30.000 Tonnen pro Jahr. „Schließt das Werk in Pocking, steigert das unsere Rohstoffabhängigkeit von anderen Lieferländern, zum Beispiel von China“, warnt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Schimmelbusch will endlich „eine klare Ansage“ der Bundesregierung, ob er mit einer Förderung rechnen könne. Ansonsten kommt im ersten Quartal 2024 das endgültige Aus.