© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/23 / 01. Dezember 2023

EZB verlangt im aktuellen Finanzstabilitätsbericht mehr Wachsamkeit
Schatten der Schattenbanken
Thomas Kirchner

Schattenbanken – schon das Wort klingt bedrohlich, wenn nicht gar mafiös. So dürfen diese mysteriösen Schattenbanken denn auch in keiner Warnung zur Finanzstabilität fehlen. Zwar taucht der Begriff im aktuellen Finanzstabilitätsbericht der EZB nicht auf, erst die Berichterstattung darüber schreibt ihn hinein. Die EZB bezeichnet diese Nicht-Bank-Finanzinstitute korrekt als das, was sie sind: Renten- und Immobilienfonds, Versicherungen, Beteiligungsgesellschaften oder Hedgefonds. Sie haben mit Banken gemeinsam, daß sie Geld von Anlegern einsammeln und dann investieren. Aber sie sind eben keine Banken. Man bezeichnet Tennis schließlich auch nicht als Schattenfußball, nur weil Ball und Netz zum Einsatz kommen.

Die Bedenken der EZB beschränken sich auf die Liquidität in diesem Sektor. Kurz: Wollen zu viele Anleger auf einmal ihr Geld zurück, gibt es die gleichen Probleme wie bei einer Bankenpanik. Die Institute können nicht alle sofort auszahlen. Klassisch waren die Probleme offener Immobilienfonds während der Finanzkrise, die Bürotürme nicht von einem Tag auf den anderen verkaufen konnten. Es war zwar genug da für alle, nur eben nicht sofort. Diese Problematik kann auch die beste Regulierung nicht lösen. Solange offene Fonds offen sind, besteht diese Gefahr. Geschlossene Fonds, bei denen Anleger nur gelegentlich ihre Einlagen abrufen können, vermeiden das Problem, sind aber bei Kunden weniger beliebt.

Rätselhaft bleibt die Fixierung der Behörden auf Rentenfonds. Sie sorgen sich, daß plötzliche Abflüsse eine Verkaufswelle auslösen könnten. Doch wären die Kunden nicht in Fonds, sondern direkt in Anleihen investiert, gäbe es die gleiche Verkaufswelle, wenn Anleger aus Anleihen fliehen. Nicht die Fonds sind also das Problem, auch wenn man sie „Schattenbanken“ nennt. Mehr liquide Mittel, wie sie nicht nur die EZB verlangt, würden die Rendite der Anleger schmälern, nicht aber Abflüsse verhindern.

Man muß der EZB zugute halten: sie macht sich Gedanken um steigende Zinsen. Damit unterscheidet sie sich von der US-Zentralbank Fed, deren Streßtest einzig und allein auf Basis einer extremen wirtschaftlichen Depression beruht. Kapitalpuffer der US-Banken reichen aus, ein solches Szenario zu überstehen. Sie gelten der Fed als solide, obwohl sie massive Wertverluste auf Anleihen aufgrund der Zinssteigerungen erleiden. Europäische Banken profitieren von der kurzen Zinsbindung von Verbraucherkrediten, insbesondere Hypotheken. Das Zinsänderungsrisiko liegt bei den Haushalten, deren Zinslast von unter zwei auf mehr als 4,5 Prozent gestiegen ist – deutlich mehr als Unternehmen oder Banken. Grundsätzlich sollten Banken besser in der Lage sein, Zinsänderungsrisiken zu handhaben als Haushalte. Ausnahmen wie die Silicon Valley Bank bestätigen die Regel. Während US-Haushalte mit bis zu 30jähriger Zinsbindung bei Hypotheken von den aktuellen Erhöhungen verschont bleiben, bürden EU-Regierungen sie den Haushalten auf. Regulierungen können das Zinsänderungsrisiko nicht wegzaubern. Sie können es nur von einem Akteur auf einen anderen verschieben.

Erfreulich ist auch der vergleichsweise moderate Anstieg der Finanzierungskosten für Unternehmen, die Schulden abbauen können – im Gegensatz zu den Staaten, deren Finanzlage sich zunehmend verschlechtert. Insgesamt ist der Finanzierungsbedarf von Unternehmen rückläufig. Inwiefern das gute Finanzierungsstrategien sind oder aber auf eine schlechte wirtschaftliche Gesamtlage hindeutet, erörtert die EZB nicht.