Unter der Anteilnahme von 2.000 Trauergästen wurde am vergangenen Freitag in Saint-Donat-sur-l’Herbasse der 16jährige Thomas P. zu Grabe getragen. Er war in der Nacht zum vorangegangenen Sonntag nach einem Dorffest im 600-Einwohner-Ort Crépol im Département Drôme mit anderen Festbesuchern zusammen brutal überfallen worden. Er erlag danach noch im Rettungswagen auf dem Weg ins Krankenhaus seinen schweren Stichwunden. Insgesamt wurden 18 Festgäste verletzt, darunter vier mit bis zu 25 Zentimeter langen Messern. Zwei der Opfer mußten intensivmedizinisch betreut werden.
Über die zunächst flüchtigen bis zu zwanzig Täter hieß es seitens der Polizei und Staatsanwaltschaft anfangs lediglich, daß es sich – wie bei den Opfern – ebenfalls um „Jugendliche“ handeln würde. Da aber schnell durchsickerte, daß diese aus dem Problemviertel La Monnaie in der 15 Kilometer entfernten Gemeinde Romans-sur-Isère stammten und niemand Tätervornamen bekannt gab, wurde daraufhin in ganz Frankreich über einen nordafrikanischen Migrationshintergrund der Täter spekuliert.
Éric Zemmour: „Ein Dschihad, den die Franzosen erdulden müssen“
Bald berichteten dann auch Opfer und Zeugen des Vorgangs, unter anderem in einem Podcast der Regionalzeitung Le Dauphiné Libéré, unabhängig voneinander, daß die Angreifer lautstark rassistisch-antifranzösische Parolen gerufen hätten und maghrebinischer Herkunft seien. „Wir sind hier, um Weiße zu töten“, soll unter anderem gebrüllt worden sein. Außerdem wehrten sich die Festbesucher vehement gegen aus ihrer Sicht verharmlosende Pressedarstellungen, die das ganze wie eine „Schlägerei“ aussehen lassen wollten.
„Das war ein gezielter Terrorangriff“, äußerte eine Jugendliche. Tatsächlich sei es zwar im Laufe des sonst sehr harmonischen Abends mit zwei der späteren Angreifer zu Streitereien infolge von Frauenbelästigungen und zu Platzverweisen durch die Security gekommen. Aber für die darauffolgende tödliche Auseinandersetzung seien zusätzliche bewaffnete Jugendliche aus Romans-sur-Isère angereist und sie hätten das Gebäude des Festsaals systematisch eingekreist und dann nachts um zwei Uhr ohne direkten Anlaß angegriffen.
Thomas P. attackierten sie, als er gegen Ende des Festes mit anderen draußen beim Rauchen stand. Während der Sicherheitsdienst versuchte, die im Saal befindlichen Gäste durch das Abschließen der Türen zu schützen, spielten sich laut Le Figaro drinnen wie draußen Tragödien ab. Innen versuchten Teile der Gäste gewaltsam aus dem Saal zu kommen, um den draußen Angegriffenen zu Hilfe zu eilen, während vor der Tür mit Messern und Steinen auf die Festbesucher losgegangen wurde.
Am Dienstag der vergangenen Woche wurden dann in Toulouse durch Zielfahnder der Gendarmerie (GIGI) und örtliche Polizeikräfte neun der mutmaßlichen Angreifer festgenommen. Auch der 20jährige Mordverdächtige, der wegen Drogendelikten und Hehlerei bereits polizeibekannt sei und dem das Führen von Messern gerichtlich verboten war, soll unter den Festgenommen sein. Sie wollten sich nach der Tat nach Spanien oder Nordafrika absetzen. In ersten Vernehmungen reklamierten sie für sich, auf Provokationen reagiert zu haben. Ein „Rugbyspieler“ unter den Festgästen habe gegen Ende des Fests einen der maghrebinischstämmigen Franzosen als „Chiquita“ (Mädchen) beleidigt und an dessen Haaren gezogen. Entsprechend äußerte sich die Staatsanwaltschaft noch nicht, ob sie die Tat als Angriff aufgrund von Rasse, Ethnie, Nationalität oder Religion der Opfer einstufen wird.
Die politischen Reaktionen auf den Vorfall waren ungewohnt harsch. Während Präsident Emmanuel Macron sich am Rande eines Bürgermeisterkongresses zunächst nur „betroffen ob des furchtbaren Mordes“ zeigte, kommentierte sein Innenminister mit algerischen Wurzeln Gérald Darmanin laut Le Figaro: „Sie sind Franzosen, aber nicht ein einziger hat einen französisch klingenden Namen […] Diese Affäre traumatisiert unsere Landsleute zu Recht. Wir müssen wieder Regeln und Ordnung schaffen, sonst wird das Land vor die Hunde gehen.“
Fraktionsführerin Marine Le Pen (RN) erinnerte daran, daß Hochzeiten und Feiern im ländlichen Raum bereits seit Jahren Ziel solcher Angriffe wären. Diesmal habe es einem jungen Mann das Leben gekostet: „Zuviel ist zuviel“. Der Rechtsaußen-Politiker Éric Zemmour sprach gar von einem „wahren Dschihad, den die Franzosen erdulden müssen“. Der bekannte Soziologe Mathieu Bock-Côté orakelte im TV-Sender C-News sogar: „In fünf bis zehn Jahren werden sie in Häuser eindringen, dann wird man nicht einmal hinter einer verschlossenen Tür vor ihnen sicher sein.“
Linke, wie der Parteichef Jean-Luc Mélenchon (LFI), prangerten dagegen die grassierende „Arabophobie“ im Land an. Manchen relativierten den Vorfall auch mit Verweis auf den Tage zuvor in Villecresnes geschehenen Messerangriff eines Rentners auf einen 29jährigen Gärtner arabischer Herkunft. Dieser soll seinen Wagen nicht so geparkt haben, wie es der Aggressor gewünscht hätte. Araberfeindliche Schimpfwörter sollen dabei kameradokumentiert gefallen sein. Indes konnte die Polizei in Romans-sur-Isère eine weitere Eskalation verhindern. Dutzende vermummte und mit Stöcken bewaffnete Rechtsextremisten haben sich am vergangenen Samstag in der 50.000-Einwohner-Agglomeration versammelt, um das Viertel La Monnaie, aus dem die Täter kamen, „aufzuräumen“. Sechs der Teilnehmer wurden in Schnellgerichtsverfahren bis zu zehn Monaten Haft verurteilt.