© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/23 / 01. Dezember 2023

Grüße aus … London
Cousins heiraten ihre Cousinen
Julian Schneider

Das nordenglische Bradford galt einst als reiche Industrie- und Kaufmannsstadt. Die Textilfabriken zogen im 19. Jahrhundert auch Geschäftsleute aus ganz Europa an. Eines der schönen historischen Viertel wurde „Little Germany“ genannt – weil so viele der Textilhändler aus Deutschland stammten. Noch heute kann man in der Nachbarstadt von Leeds, etwa eine halbe Autostunde von Manchester, die alten Fabrikgebäude aus dunklem Backstein bewundern. Einige sind allerdings zu Ruinen verfallen. Der einstige Reichtum Bradfords zeigt sich im Zentrum vor allem im prächtigen Rathaus im Stil der italienischen Neorenaissance.

Doch die außereuropäische Massenzuwanderung der jüngeren Vergangenheit hat den Charakter der Stadt mit einer halben Million Einwohnern fundamental verändert. 25 Prozent stammen aus Pakistan, ergab der jüngste Zensus. Im Stadtzentrum sieht man jetzt pakistanische Barber-Shops, Imbisse, ein Wasserpfeifengeschäft. Mehrere große Moscheen gibt es auch. 

Viel Aufsehen erregte eine Studie, wonach die Mehrheit der Pakistanis Blutsverwandte heiraten.

Bradford ist „Little Pakistan“ geworden. Seitdem die Textilindustrie in fernöstliche Billiglohnländer abwanderte, erfaßte hohe Arbeitslosigkeit und Armut die Region. Unter der oberflächlichen Ruhe entladen sich immer wieder Spannungen. Als es in Oldham vor zwei Jahrzehnten knallte, griffen die Rassenunruhen auch auf Bradford über. Wie in Oxford, Derby, Telford, Rochdale, Rotherham oder Manchester trieben auch hier sogenannte „Grooming Gangs“ ihr Unwesen, vergewaltigten und zwangsprostituierten minderjährige Mädchen in großer Zahl. Erst der Skandal von Rotherham führte dazu, daß die englische Öffentlichkeit auf das Phänomen des bandenmäßigen sexuellen Mißbrauchs von überwiegend englischer Kinder durch muslimische Männer aufmerksam wurde.

Viel Aufsehen erregte vor zehn Jahren auch eine Studie, wonach die Mehrheit der Pakistanis Blutsverwandte heiraten. Die „Born in Bradford“-Studie zum Gesundheitszustand von 30.000 Stadtbewohnern fand heraus, daß bei 60 Prozent der Babys in der Stadt die Eltern Cousins und Cousinen ersten oder zweiten Grades waren. Viele Verwandtenehen sind arrangiert. Und es gibt überdurchschnittlich viele genetische Defekte und angeborene Anomalien beim Nachwuchs. 

Dieser Tage trompetete die BBC neue Ergebnisse heraus. „Weniger Cousins heiraten in Bradfords pakistanischer Gemeinde“. Studienleiter John Wright sagt, der Anteil sei innerhalb eines Jahrzehnts signifikant gefallen. Naja, der Anteil der Cousin-Ehen ist von 60 auf 48 Prozent gesunken. Unter denen, die die Oberschule mit dem A-Level abgeschlossen haben, heiraten sogar „nur“ noch 36 Prozent ihre Cousine. Wenn das kein Fortschritt ist.