© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/23 / 01. Dezember 2023

Das Ende des Dollar
Weltfinanzsystem: Die US-Währung garantierte lange Zeit die Freiheit des internationalen Handels. Die Brics-Staaten wollen diese Vorherrschaft brechen, auch weil der Dollar immer häufiger zum politischen Instrument wird
Mathias Pellack

Es war ein herber Rückschlag für die Untergangspropheten des US-Dollar. Die Argentinier wählten mit Javier Milei einen klaren Befürworter des Dollar. Die im Frühjahr angekündigte Annäherung an den chinesischen Renminbi ist damit hinfällig. Das Land wollte wie künftig Brasilien seinen Handel mit Peking ohne den Dollar abwickeln. 

Um zu verstehen, wieso die Brics-Staaten (Brasilien, Rußland, Indien, China und Südafrika) die seit 1792 bestehende Währung der USA angreifen, muß man wissen, daß der Dollar mehr als nur eine Währung – ein staatsweit akzeptiertes Tauschmittel – ist. Erst im Laufe des Ersten Weltkriegs begann er seine heutige Rolle als weltweite Leitwährung dem britischen Pfund abzujagen. Er wird seither so gut wie überall auf der Erde als Grundlage für den Handel herangezogen, entweder als Umrechnungseinheit, da alle Waren auch einen Preis in Dollar haben, oder als Zwischentauschmittel. Hier verkauft man beispielsweise Öl an der Börse in Dollar und kauft für Dollar wiederum andere Güter ein.

Die Schwächung des britischen Pfund durch horrende Kriegsausgaben hatte die Alliierten 1944 in dem US-Ausflugsort Bretton Woods zusammentreffen lassen. Die goldgedeckte Stabilität der US-Währung und die freie Handelbarkeit ließ den Dollar weltweit als Weltreservewährung attraktiv erscheinen. Jedes Land mußte fortan eine Umtauschbarkeit seiner Währung in Dollar gewährleisten. Durch die Auflösung der Goldbindung von 35 Dollar pro Unze im Jahr 1968 begann die US-Währung zum Spielball der Regierung zu werden. Die Möglichkeit, Dollar zu drucken, um Problemen des Staatshaushalts zu begegnen, verlockte auch die Politiker in Wash­ington. Die Unze Gold kostet inzwischen 2.000 US-Dollar. Ab 1982 steigen dementsprechend die US-Schulden kontinuierlich auch im Vergleich zur Wirtschaftskraft des Landes. 2012 überschritten sie 100 Prozent. Das heißt, die komplette US-Wirtschaft müßte beim heutigen Schuldenstand von 123 Prozent folglich fast ein Jahr und drei Monate allein dafür eingesetzt werden, die Kredite zu tilgen. Die währenddessen fällig werdenden Zinsen würden dabei ebenso wenig abgearbeitet wie auflaufende Kosten für Militär, Verwaltung oder Soziales.

International verwendete Dollar stützen den Kurs Washingtons

Das ist ein Damoklesschwert, dessen Faden von großen Gläubigern des Dollar wie China oder Japan durchschnitten werden könnte. Beide Staaten horten neben Schatzbriefen auch große Mengen US-Dollar. Würden die Staaten diese Billionen auf den Markt pressen, wäre die US-Währung stark gefährdet. Zusammen mit der hohen Staatsverschuldung ist das eigentlich ein Todesurteil. 

Michael Hudson, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Kansas City, erklärte das System, das Washington immer weitere Finanzausgaben erlaubt, ohne einen Bankrott zu fürchten, folgendermaßen: „Für die Vereinigten Staaten wird das Geld, das für ein Defizit im Verteidigungsetat und für amerikanische Investoren, die chinesische Aktien und chinesische Unternehmen kaufen, ausgegeben wird, in die Vereinigten Staaten zurückgeführt, um US-Staatsanleihen zu kaufen.“ So diente das „US-Zahlungsbilanzdefizit zur Finanzierung des Haushaltsdefizits“. Kurzum: „Je größer das US-Zahlungsbilanzdefizit wird – je mehr die USA also militärisch und politisch in der Welt ausgeben –, desto mehr ausländische Zentralbanken finanzieren am Ende das inländische Haushaltsdefizit.“

Doch die Staaten, die Anleihen in US-Dollar halten, garantieren nicht nur die Zahlungsfähigkeit Washingtons für den größten Militärapparat der Welt, auch der Dollar selbst wird von Washington immer öfter als scharfe Waffe eingesetzt, wie etwa jüngst der Ukraine-Krieg vor Augen führte. Zuvor konnten alle Staaten frei über Dollar verfügen. Mit dem Ausschluß Rußlands aus dem unter Aufsicht des Westens stehenden internationalen Zahlungssystems SWIFT und dem Einfrieren russischer Dollarvermögen ist aber ein Präzedenzfall geschaffen. Washingtons Politik zeigt weg von der unbedingten Offenheit des Dollar für den weltweiten Handel hin zu einer stärkeren Sicherheitsorientierung.

Wallstreet-Investoren sehen die Wende in diesem Jahrzehnt

Leitwährungen kommen und gehen. Vor dem britschen Pfund garantierte der niederländische Gulden den reibungslosen Ablauf vieler Geschäfte rund um den Globus, wenngleich der Dollar heute eine Vorrangstellung erreicht hat, die es zuvor  noch nicht gab und auch aller wahrscheinlichkeit nicht mehr geben wird. Viele Analysten sehen den Dollar schon lange auf dem absteigenden Ast, doch bisher konnte er sich entgegen aller Wetten halten. Der Hedgefondsmanager und Autor Ray Dalio sieht dahinter Zyklen der Weltwirtschaft. Die Hochzeit des US-Dollars ist vorbei. Dalio spricht  inzwischen von einem bevorstehenden „Kollaps“. Auch die New Yorker Rohstoffinvestoren Goehring und Rozencwajg sehen „das letzte Puzzleteil sich nun einfügen“. Beim Vergleich mit geldpolitischen Veränderungen in den Jahren 1930, 1968 und 1998 hätten sich die Rohstoffpreise enorm stimuliert „und wir glauben, daß die Währungsumstellung, die in diesem Jahrzehnt stattfinden wird, nicht anders sein wird“. 

Seit Bretton Woods 1944 hätten die USA einen enormen Vorteil gehabt. Fast 90 Prozent des Welthandels wurden in Dollar abgewickelt. Das Ergebnis war bisher „eine anhaltende Nachfrage nach Dollar außerhalb der USA, um die Abwicklung des Welthandels zu erleichtern. US-Dollars werden in Staatsanleihen umgeschichtet, was den USA anhaltende Defizite beschert.“ Nun sei es so weit: „Wir glauben, daß sich dies zu ändern beginnt.“ 

In jüngster Zeit hatte eine Reihe von Ländern angekündigt, ihren Handel in anderen Währungen als dem Dollar abwickeln zu wollen. Darunter die immer stärker werdenden Brics-Staaten, deren wirtschaftliche Kraft, die der G7 inzwischen übertrifft – bei Wachstumsraten, die den Westen im wahrsten Sinne alt aussehen lassen. Zudem wird die Brics-Erweiterung mit Beginn des Jahres 2024 um aufstrebende Nationen wie Äthiopien, Ägypten, Saudi-Arabien, Iran und auch eingangs erwähntes Argentinien das Gewicht weiter von der finanziellen Vorherrschaft des Westens weglenken. Der neue Präsident in Buenos Aires will den eigenen Peso gegen den US-Dollar tauschen.

Vor allem China treibt den Ausbau internationaler Finanzinstitute voran, die einen Gegenpol bilden zu dem westlich dominierten Internationalen Währungsfonds und der Weltbank  sowie den verschiedenen Entwicklungsbanken Europas und der USA, die die Geldflüße bisher in die für den Westen vorteilhafte Richtung lenkten.

Lesen Sie auch das Forum (Seite 18) von Markus Brandtstetter: Der stabile Dollar nutzt dem Westen.

(Grafiken siehe PDF)