Wann waren wir das letzte Mal hier?“ fragt meine Frau ein wenig vorwurfsvoll. Es ist eine gefühlte Ewigkeit her, daß wir uns Zeit für ein Abendessen in unserem Lieblingsrestaurant genommen haben. Noch bevor ich antworten kann, nimmt sie meine Hand: „Alles gut. Es war ein anstrengendes Jahr.“
Ich werde etwas gelassener und alles scheint wie immer: Die Aussicht über die Dächer der Stadt, der uns wiedererkennende freundliche Kellner, der Geschmack des Weines.
Dennoch ist etwas anders: Während wir unsere seltene Zweisamkeit genießen, lachen und plaudern, herrscht an den Tischen nebenan betretenes Schweigen. Zu unserer Linken ein junges Pärchen. Beide schauen wie gebannt auf ihre Smartphones. Bei der Familie direkt dahinter steht statt Kommunikation ebenfalls der Kontakt mit den elektronischen Begleitern im Vordergrund. Eigentlich sollte die Technik uns den Menschen näherbringen, die weit entfernt sind. Aber es scheint, als würde sie uns von denen entfernen, die uns nahestehen.
Wir müssen beide so laut lachen, daß einige Fahrgäste nun doch aufschauen und zu uns herüberblicken.
Meine Frau bemerkt, daß ich geistig abschweife und holt mich wieder zurück: „Die Zeiten ändern sich.“ Ich schiebe meine Gedanken beiseite und schenke ihr wieder meine Aufmerksamkeit. Und so haben wir einen schönen Abend mit einem wunderbaren Essen und einer guten Flasche Wein.
Als wir uns später mit der Bahn auf den Heimweg machen, genügen ein paar Blicke, um festzustellen, daß auch hier das gleiche „große Schweigen“ zu grassieren scheint. Ich frage mich, ob in dieser Gesellschaft überhaupt noch irgend jemand miteinander redet.
Um mich nicht darüber zu ärgern, lenke ich den Fokus zurück zu meiner Frau: „Wie machst du das nur?“ „Was meinst du?“, will sie von mir wissen. „Es herrscht so ein Abstand zwischen den Menschen. So eine Sprachlosigkeit. Und dich stört es nicht einmal.“
„Du meinst, das Handy weglegen und der Person neben einem Aufmerksamkeit schenken? Dafür fehlt manchen Menschen wohl einfach die passende App.“ Bevor ich etwas erwidern kann ergänzt sie: „Heißt übrigens Respekt.“
Wir müssen beide lachen. So laut, daß einige Fahrgäste zu uns herüberblicken. Etwas beschämt flüstert sie noch: „Scheint zu funktionieren. Sogar ganz ohne WLAN.“