© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/23 / 24. November 2023

Frisch gepreßt

Reformator. In der öffentlichen Wahrnehmung gilt Martin Luther als ideologischer Wegbereiter der Moderne. Dieser Darstellung verpaßte der Leipziger Emeritus Christoph Türcke bereits 2016 Risse. Nun erscheint die zweite Auflage seines populärwissenschaftlichen Buches über den deutschen Reformator. Darin räumt der 1948 geborene Philosoph mit vielen Legenden um Luther auf und versucht, dessen Lebensweg samt seiner Konsequenzen aus linker und aufklärerischer Sicht zu erklären. Laut Türcke war der „erste Protestant“ weder ein Pionier noch ein radikaler Reformer, sondern ein Kind seiner Zeit mit vielen Problemen und einer Prise Glück. Als prägende Einflüsse vor 1517 nennt der Autor unter anderem Luthers Konflikt mit den Eltern, dessen Konsequenzen in Form einer depressiven und asketischen Episode im Augustinerkloster und die „via moderna“, die an seinem Studienort an Einfluß gewonnen hatte und die christliche Philosophie auf den Kopf stellte. Auch sein Verhältnis zu den aufständischen Bauern und ihrem gewaltsamen Bestreben, die weltliche Ordnung zu verändern, aber auch zu den Juden, mit denen er in Konflikt geriet, wird analysiert. Das Endergebnis: ein kurzweiliges und informatives Werk, das ungeachtet der ideologischen Färbung einen Erkenntnisgewinn garantiert. (kuk)

Christoph Türcke: Luther – Steckbrief eines Überzeugungstäters. Zu Klampen Verlag, Springe 2023, broschiert, 118 Seiten, 14 Euro





Erzkatholisch. Obwohl Leserbriefe kaum öffentliche Beachtung bekommen, haben sie dennoch einige begeisterte Liebhaber. Dazu gehört Heinz-Lothar Barth, ein bekennender katholischer Traditionalist. Der 1953 geborene Altphilologe ließ Jahrzehnte seiner Schriften in einer zweibändigen Ansammlung zusammenfassen. Der zweite Teil der Reihe umfaßt vor allem die Kritik am zweiten Vatikanischen Konzil  sowie das Verhältnis zwischen dem Katholizismus und anderen Religionen. Auch an streng politischen Inhalten mangelt es nicht. Barth schreibt unter anderem über Nationalismus, Islam, Corona- und Familienpolitik und kommentiert die Themen aus traditionalistischer Sicht. Ob seine Beiträge tatsächlich als „Mittel zur Wahrheitsfindung“ dienen können, läßt sich schwer feststellen. Wohl bieten sie einen interessanten Einblick in das Denken derjenigen Konservativen, die sich von der katholischen Kirche seit dem II. Vaticanum in den 1960ern verlassen fühlen. Ebenfalls garantiert ist ein gewisses Maß an theologischem Erkenntnisgewinn. Wer sich für innerkirchliche Auseinandersetzungen interessiert, wird an der Lektüre Freude finden. (kuk)

Heinz-Lothar Barth: 33 Jahre Einsatz für Kirche und Gesellschaft (1988–2021), Band 2: Leserbriefe als Mittel der Wahrheitsfindung und -verbreitung. Fe-Medienverlag, Wil (Schweiz) 2023, broschiert, 299 Seiten, 9,90 Euro