Der Gründungakt der Bundeswehr fiel nicht zufällig auf den 12. November 1955. Das war der Geburtstag Scharnhorsts, dessen Heeresreform den Befreiungskrieg gegen Napoleon ermöglichte. Die Streitkräfte der Bonner Republik wurden damit in der preußisch-deutschen Militärtradition verankert. „Erinnerungskulturell“ hingegen ist für Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats und Wehrdienstverweigerer von 1980, ein anderes Datum für die Traditionspflege der Bundeswehr jahrzehntelang bestimmender gewesen: der 9. Mai 1945. Da hieß es im letzten Wehrmachtsbericht, die gefallenen Kameraden verpflichteten zu „bedingungsloser Treue gegenüber dem aus zahllosen Wunden blutenden Vaterland“. In dieser Formel erkennt Zimmermann die Legende von unpolitischer „Soldatenehre und Soldatenpflicht“. Daran allein, nicht am „NS-Wahn“, so lautete die implizite Botschaft, habe sich die Wehrmacht orientiert (zeitzeichen, 9/2023). Dieses Narrativ hätten Reetsmas Wanderausstellungen zwischen 1995 und 2004 über „Verbrechen der Wehrmacht“ zerstört. Nach dem Ausräumen aller „Traditionsecken“ und Kasernenumbenennungen richte sich die Traditionsbildung der „vielfältigen“ Bundeswehr nun an der eigenen Geschichte aus, was aber leider ihre Akzeptanz in der „Zivilgesellschaft“ nicht erhöhe.