© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/23 / 24. November 2023

Sich an der Korrektur versucht
Vor vierzig Jahren gründete sich die Partei „Die Republikaner“ / Erfolgversprechende Ansätze
Karlheinz Weißmann

Für fast eineinhalb Jahrzehnte mußte die Union nach dem „Machtwechsel“ von 1969 die Oppositionsbänke des Bundestages drücken. In dieser Zeit erschien sie Konservativen, traditionellen Christen, Marktliberalen und Nationalen als einzig wählbare Partei. Man betrachtete den CDU-Chef Helmut Kohl als kleineres Übel oder redete sich ein, daß es „Adenauers Enkel“ doch irgendwie ehrlich mit ihnen meine. Wem das nicht gelang, der hoffte auf den Einfluß von Franz Josef Strauß, der als CSU-Vorsitzender und bayerischer Ministerpräsident und linkes Haßobjekt eine Bastion der politischen Rechten zu sein schien. Zwar scheiterte Strauß als Kanzlerkandidat 1980, während Kohl drei Jahre später die „Wende“ vollzog und mit der FDP eine Regierung bilden konnte, aber an dieser Konstellation änderte das wenig. Die „Kohlisten“ sonnten sich im Glanz des Erfolges, die „Stahlhelmer“ nahmen zähneknirschend das Gerede von „Kontinuität“ und „Erneuerung“ hin und erwarteten, daß der starke Mann in München das schlimmste verhindern werde.

Geißlers Weisung, Republikaner als Hauptfeind zu bekämpfen

Eine Rechnung, die nicht aufging. Das wurde spätestens klar, als durchsickerte, daß ausgerechnet Strauß – „Lieber ein Kalter Krieger als ein warmer Bruder!“ – im Sommer 1983 einen Milliardenkredit für die DDR „eingefädelt“ hatte, um deren drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Die Nachricht über den Vorgang löste in großen Teilen der Union einen Schock aus, die zwei CSU-Bundestagsabgeordneten Franz Handlos und Ekkehard Voigt erklärten ihren Parteiaustritt. Zusammen mit dem bekannten Fernsehjournalisten des Bayerischen Rundfunks Franz Schönhuber gründeten sie vor vierzig Jahren, am 26. November 1983, eine neue Partei: Die Republikaner (REP). 

Der Name war klug gewählt, konnte entweder als dezenter Hinweis auf die amerikanischen Konservativen oder als Bezugnahme auf die antike Tradition verstanden werden. Zudem war es ein offenes Geheimnis, daß die Anhänger der Republikaner „nicht im geringsten Rechtsradikale oder Neonazis waren“, sondern Nationalkonservative und die „Enttäuschten aller parteipolitischen Richtungen“, wie es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hieß. Die Erwartung von Handlos, Voigt und Schönhuber, daß sie mit ihrem Schritt einen „Flächenbrand“ entfachen könnten, erfüllte sich aber nicht. Innerhalb des Triumvirats kam es bald zum Konflikt, der damit endete, daß Schönhuber den Vorsitz der Partei übernahm und den Plan faßte, sich am Modell des französischen Front National auszurichten und eine breite patriotische Sammlungsbewegung aufzubauen. Ein Ansatz, der deshalb erfolgversprechend schien, weil die Regierung Kohl nicht nur im Hinblick auf die Wiedervereinigung Positionen räumte, sondern auch hilflos vor der „Ausländerfrage“ und dem „Asyl-Chaos“ stand.

Schönhubers Geschick im Umgang mit den Medien und seine Qualitäten als Volkstribun provozierten allerdings auch immer schärfere Abwehrreaktionen. Hatte Eberhard Diepgen, der von der Union gestellte Regierende Bürgermeister Berlins, noch geäußert, es sei „geradezu hirnrissig, die Republikaner als für alle Zeiten koalitionsunfähig hinzustellen“, so erklärte das CDU-Präsidium am 4. Juli 1989 doch unmißverständlich eine Zusammenarbeit für ausgeschlossen. Heiner Geißler gab als Generalsekretär der Partei die Weisung aus, nie von „Republikanern“, immer nur abschätzig von „Repsen“ zu sprechen und sie als Hauptfeind zu bekämpfen. Für die CSU galt die Marschrichtung, die Strauß schon angesichts des Aufstiegs der NPD ausgegeben hatte, daß „politische Gebilde, die rechts von uns mit falscher Zielrichtung entstehen“, unter allen Umständen und mit rücksichtsloser Härte ausgeschaltet werden müßten.

Das anfängliche Sondieren, ob hier nicht nach dem Entrée der ersatzkommunistischen Partei der Grünen eine „fünfte Partei“ (Dieter Roth) auf der Rechten entstanden war, in nachvollziehbarer „Abwehrreaktion“  – so der von der CSU gestellte Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann – gegen Masseneinwanderung und die Folgen des linken Kulturkrieges, hatte sich jedenfalls rasch erledigt. Dabei gewann eine entsprechende Argumentation an Plausibilität, als die Republikaner im Januar 1989 mit 7,5 Prozent der Stimmen in das Berliner Abgeordnetenhaus einzogen. Das war nicht nur ein Achtungserfolg, sondern auch der Nachweis, daß Geißlers „Lagertheorie“ – Union und FDP würden zusammen immer eine Mehrheit gewinnen können – wenig taugte. Ein halbes Jahr später schien sich die Partei auf entsprechendem Niveau zu stabilisieren, als sie 7,1 Prozent (in Bayern sogar 14,1 Prozent) der Stimmen gewann und in das Europaparlament einzog. Was, wie ein linker Autor sarkastisch bemerkte, „bei anhaltender politischer Phantasielosigkeit den hierzulande geradezu reflexhaften Wunsch nach administrativer Ausgrenzung“ (Horst Meier) stimulierte und eine Debatte über die notwendige Beobachtung der Republikaner durch den Verfassungsschutz wie ein mögliches Parteiverbot in Schwung brachte.

Aber gebrochen wurde der Aufwärtstrend der Republikaner ausgerechnet durch den Mauerfall. Die noch existierende Volkskammer der DDR verbot der Partei – die entschiedener als jede andere für die Einheit der Nation warb – jede Tätigkeit auf ihrem Territorium. Was aber schwerer wog, war, daß der fast schon abgeschriebene Kanzler es verstand, sich als Architekt der Wiedervereinigung zu präsentieren. Die Union erreichte bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990 zwar nur 43,8 Prozent der Stimmen. Das genügte aber im Bündnis mit der überraschend starken FDP – sie erhielt elf Prozent – für eine neuerliche Regierungsbildung. Die Republikaner mußten sich dagegen mit enttäuschenden 2,1 Prozent begnügen. 

Am Ende gab es Personalquerelen und Richtungsstreitigkeiten

Faktisch hat die Partei nur noch einmal – bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 1992, die ihr 10,9 Prozent der Stimmen brachte – den Eindruck erweckt, ihren Niedergang aufhalten zu können. Aber als die Regierung im Folgejahr eine kosmetische Änderung des Asylrechts umsetzte und hier und da „das Nationale … zu nutzen“ (Wolfgang Schäuble) verstand, genügte das, den Republikanern den wichtigsten Ansatzpunkt zu nehmen. In ihrer Führung waren nach zahlreichen Fehlschlägen die auf der politischen Rechten üblichen Personalquerelen und Richtungsstreitigkeiten ausgebrochen. Schönhuber resignierte 1994. Sein Nachfolger Rolf Schlierer favorisierte eine Positionierung als bürgerliche Kraft und suchte sich an der unter Jörg Haider in Österreich sehr erfolgreichen FPÖ zu orientieren, konnte aber seine innerparteilichen Gegner nie entscheidend schwächen, die eine Allianz mit radikaleren Gruppierungen – der NPD und der Deutschen Volksunion (DVU) des Nationalzeitungs-Verlegers Gerhard Frey – anstrebten. Es entstand der Eindruck eines schwankenden Kurses, der weiteres Vertrauen kostete. Entscheidender für das politische Aus dürfte allerdings der Grad der Verfemung gewesen sein, der die Republikaner anheimfielen.