© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/23 / 24. November 2023

Die 40 Dax-Konzerne haben Milliarden-Schulden in Anleihen ausstehen
Der große Zinsschock
Thomas Kirchner

Die gestiegenen Zinsen haben nicht nur die Pleite der Silicon Valley Bank im fernen Kalifornien verursacht. Auch die 40 Dax-Konzerne spüren die Veränderung. Zu Zeiten negativer Zinsen konnten sie sich bei fast Null finanzieren. Jetzt müssen sie diese Anleihen entweder tilgen oder im Normalfall zu aktuellen Zinsen neu begeben. Bayer etwa hat im Juli 2024 eine Anleihe über 1,7 Milliarden Euro zu 0,375 Prozent fällig.

Zuletzt finanzierte sich der Chemieriese im Mai mit einer zehnjährigen Anleihe bei rund 4,75 Prozent Rendite. Zu diesen Konditionen würden ab Juli 74 Millionen Euro zusätzlicher Zinsen jährlich anfallen. Bayer hat insgesamt Anleihen über 44 Milliarden Euro ausstehen, die im Schnitt mit 3,6 Prozent verzinst sind. Der Anstieg insgesamt wird nicht so dramatisch ausfallen wie bei dieser einen Anleihe, zumal Bayer die Niedrigzins­phase genutzt hat, sich langfristig zu finanzieren. Die durchschnittliche Laufzeit von 13 Jahren liegt weit über dem üblichen Rahmen, eine Anleihe läuft sogar bis 2083. Die Übernahme des Glyphosat-Herstellers Monsanto war ein teurer Fehlschlag, den Bayer aber durch eine umsichtige Finanzierung abfedern konnte.

Der Schuldenstand allein ist nicht sonderlich aussagekräftig. Wichtiger sind Fälligkeiten und die Fähigkeit, den Schuldendienst zu leisten. Beim letzteren Punkt sieht es bei der Telekom nicht gut aus. Der Vorsteuergewinn ist nur doppelt so hoch wie der Schuldendienst, was normalerweise bedenklich ist. Der Bonner Konzern zahlt derzeit 5,6 Milliarden Euro Zinsen im Jahr, doppelt soviel wie noch 2019, auf Verbindlichkeiten von 149 Milliarden, doch davon sind nur 26 Milliarden Anleihen mit einem Durchschnittssatz von 3,6 Prozent. Glücklicherweise kann die Telekom derzeit zehnjährige Anleihen zu rund vier Prozent emittieren, nur geringfügig höher als der aktuelle Durchschnittssatz. Die Finanzlage ist also nicht dramatisch, wie es auf den ersten Blick aussieht. Viel Raum für Fehler oder Rezession bleibt aber nicht.

Dementsprechend kritisch sieht es bei Firmen aus, die überhaupt keine Gewinne verbuchen: Siemens Energy (JF 45/23) hat nur Anleihen über 2,5 Milliarden Euro ausstehen und Barmittel von fünf Milliarden Euro. Eigentlich ein hervorragendes Verhältnis. Allerdings macht der Konzern aktuell einen Verlust von 4,6 Milliarden pro Jahr. Wird 2025 die nächste Anleihe über 960 Millionen Euro fällig, wird es knapp. Das Rating steht derzeit mit BBB- gerade noch im investierbaren Bereich, aber mit negativem Ausblick. Die nächste Abstufung kommt bestimmt, dann auf „Ramschniveau“. Jetzt schon rentieren die Anleihen auf dem Niveau von Schrottanleihen im niedrigen doppelstelligen Prozentbereich. Nur eine radikale Sanierung kann den Energiewende-Konzern noch retten. Einziger Lichtblick für Anleger: Im Dax-40 hat die Aktie von Siemens Energy eine Gewichtung von unter einem Prozent, für Indexanleger hält sich der Schaden also in Grenzen.

Die schwierigste Lage in der Zinssteigerungsphase hat allerdings der Bund. Bei 1,66 Billionen Euro Schulden und einer durchschnittlichen Laufzeit von 6,7 Jahren, der Hälfte von Bayer, zahlt er im Schnitt 1,3 Prozent Zinsen. Steht Bayers Marktrendite derzeit nur ein Drittel über dem Zinssatz der Anleihen, liegt der des Bund beim Doppelten. Der Zinsschock Christian Lindners wird also schneller kommen und deutlich höher ausfallen als bei den Dax-Konzernen, die deutlich mehr Luft haben.