Gegen notorische Pöbler soll härter vorgegangen werden. Nicht im Straßenverkehr, sondern im Bundestag. Das kündigte dessen Präsidentin Bärbel Bas (SPD) jüngst an. Schließlich habe man als Politiker eine Vorbildfunktion, und „unsere Debattenkultur spiegelt sich am Ende in der Gesellschaft wider“, meinte die zweithöchste Amtsträgerin des Staates. Deshalb sollen die Strafen für pöbelnde Abgeordnete angehoben werden. „Wir wollen das Ordnungsgeld von derzeit 1.000 Euro erhöhen“, sagte sie der Bild am Sonntag. Bas wünscht sich mindestens das Doppelte, das tue dann richtig weh.
Bereits in der Geschäftsordnung des Reichstags von 1922 wurde vom Präsidium eingefordert, darauf zu achten, daß die „Würde“ des Parlaments gewahrt wird. So darf im Plenarsaal weder gegessen noch geraucht werden. Außerdem ist „unparlamentarisches Verhalten“ nicht gestattet: Das umfaßt Flüche und Schlägereien. Eine finanzielle Sanktion hat der Bundestag indes erst 2011 eingeführt. Das Ordnungsgeld steht in der Hierarchie der Strafen oberhalb des Ordnungsrufes und unterhalb des Sitzungsausschlusses. Und es zielt auch auf nichtverbale Störungen, wie zum Beispiel beim Hochhalten von Transparenten. Wohl nicht zuletzt deshalb kritisierten Linksfraktion und Grüne seinerzeit diese Verschärfung.
Aber getreu dem Motto „Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche“ kommt die Klage über die Verrohung der parlamentarischen Sitten nun vor allem aus der linken Hälfte des Plenums. Kein Wunder. Mit über 30 Ordnungsrufen führt die AfD in der laufenden Legislaturperiode mit Abstand die Liste der Übeltäter an. Pöbeln, Beleidigen, „Hetzen“ – solche Vorwürfe zielen vor allem gen rechts. Zur Vervollständigung des Bildes lohnt ein Blick auf frühere Zeiten. Zunächst einmal ist dem vom Journalisten Günter Bursch herausgegebenen „Parlamentarischen Schimpfbuch“ zufolge, quasi ein Standardwerk auf diesem Gebiet, „die Zahl der Ordnungswidrigkeiten seit 1990 von Wahlperiode zu Wahlperiode gesunken“. Wenn jetzt also eine Zunahme derselben beklagt wird, kommt dies vielleicht eher einem „Zurück zu den Wurzeln“ der – damals noch – Bonner Republik gleich. Auf den ersten 5 Plätzen der meisten Ordnungsruf-Empfänger in der 1. bis zur 16. Legislaturperiode befinden sich zwei Kommunisten (also quasi Linksfraktionsvorläufer), zwei Sozialdemokraten (Herbert Wehner, 45 Ordnungsrufe, Platz 2) und der Grüne Joschka Fischer (11 Rufe, Platz 5).
Der legendäre Wehner etwa beschimpfte 1980 seinen Kollegen Helmut Sauer (CDU): „Sie sind nämlich nicht Parlamentarier, sondern Sie sind das Abscheu-Bild eines Quasi-Parlamentariers.“ Fischers berüchtigte Entgleisung („mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein A…loch“) für die er 1984 sogar einen Sitzungsausschluß kassierte, fand indes nie den Weg ins offizielle Protokoll. Bundestagsvizepräsident Richard Stücklen (CSU) hatte bereits wegen des renitenten Grünen die Sitzung unterbrochen, so daß die Stenographen schon nicht mehr mitschrieben.