© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/23 / 24. November 2023

Amira Mohamed Ali. Wer ist die ehemalige Linken-Funktionärin, die Vorsitzende der Wagenknecht-Partei werden soll?
Sahras linke Rechte
Christian Vollradt

Das Urteil ist harsch: „Wenn sie etwas nicht kann, dann ist es Organisieren“, so Gregor Gysi kürzlich über Sahra Wagenknecht. Vielleicht ist die sich ihrer Schwäche bewußt und wünscht sich deshalb jemand anderen an der Spitze ihrer künftigen Partei: Amira Mohamed Ali. Die 43jährige Bundestagsabgeordnete aus Oldenburg steht schließlich schon jetzt formal dem Verein Bündnis Sahra Wagenknecht vor, der den Start im Januar vorbereiten soll. 

Die Nummer zwei in der ersten Reihe zu sein, hinter der Bühne die Fäden zu ziehen, das ist Ali gewohnt. Bereits als Vorsitzende der aufgelösten linken Bundestagsfraktion stand sie im Schatten des ungleich bekannteren Dietmar Bartsch. Als Nachfolgerin und auf Wunsch Wagenknechts übte sie das Amt von 2019 bis Sommer dieses Jahres aus.

Jüngst kamen jedoch Zweifel am programmatischen Gleichklang der beiden auf. Während Wagenknecht in Sachen Migration sich schon lange für eine Begrenzung ausgesprochen und deshalb aus der Partei verabschiedet hat, sprach sich Ali in einem nun wieder aufgetauchten Interview von 2019 „generell gegen Abschiebungen“ aus. Vom Funke-Medium Der Westen damit konfrontiert, konterte sie, die Lage habe sich „in den vergangenen Jahren stark verändert“, weshalb Politiker nicht in „Starrsinn und Realitätsverweigerung“ verharren, sondern ihre Positionen regelmäßig reflektieren sollten. 

Wenn Wagenknecht „Gesicht“ und vielleicht „Gehirn“ der neuen Partei ist, bleibt für Ali die Rolle der „Hände“. 

Bemerkenswert ist, daß zu Wagenknechts Getreuen aus der Ex-Fraktion der Linken – die sich ja auch wegen der Einwanderung entzweit hat – alle ihre wichtigen Mitglieder mit ausländischen Wurzeln gehören: neben dem aus dem Jemen stammenden Verteidigungspolitiker Ali Al-Dailami, die polnischstämmige Żaklin Nastić sowie Sevim Dağdelen, die kurdischer Abstammung ist – und eben Ali, Tochter einer deutschen Mutter und eines ägyptischen Vaters. Die besuchte, geboren 1980 in Hamburg, das älteste Gymnasium ihrer Vaterstadt, die traditionsreiche, humanistische „Gelehrtenschule“ Johanneum und studierte Jura, bevor sie Syndikus und Managerin eines Automobilzulieferers wurde und 2008 die Zulassung als Rechtsanwältin erlangte. 

In den Bundestag gelangte sie 2017 über die Liste des seit Jahren schon zerstrittenen Landesverbands Niedersachsen. Zwei Ex-Landeschefs gehören wie sie zum Wagenknecht-Flügel. Der aktuelle Vorstand aber forderte umgehend nach Alis Austritt, sie solle ihr Mandat abgeben – jedoch vergeblich.

Als voraussichtliche Parteivorsitzende muß Ali nun dafür sorgen, daß das beeindruckende – aber noch rein hypothetische – Wählerpotential des BSW auch in den Urnen landet: Strukturen und Landesverbände aufbauen, Geld eintreiben und Wahlkämpfe organisieren. Das bedeutet auch: Fleißige, Reputierliche und Spendable reinholen – Spinner und Glücksritter raushalten.

Wenn die Namenspatronin des Bündnisses beansprucht, das Gesicht, vielleicht sogar das Gehirn des Projekts zu sein, welches Bild dürfte dann die der Parteichefin Ali noch verbleibende Rolle illustrieren? Wohl das der Hände. Die müßten allerdings bald Schwielen zeigen, wenn sich nicht bewahrheiten soll, was Ex-Genosse Gysi prophezeit: daß das in den Umfragen durchstartende BSW in der politischen Praxis nur geringe Erfolgschancen haben werde.