© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/23 / 17. November 2023

Kabinenklatsch
Vom Rivalen nichts gelernt
Ronald Berthold

Jetzt hat mich sogar meine Mutter, die sich überhaupt nicht für Fußball interessiert, gefragt, warum der 1. FC Union ständig verliert. Die waren doch in den vergangenen Jahren so gut, wunderte sie sich. Ich fand das eine sehr gute Frage und versuchte, ihr ein paar Erklärungen zu geben: Die Eisernen haben ähnliche Fehler gemacht wie zuvor Hertha. Beide Berliner Klubs bekamen mit einem Schlag viel Geld; der eine vom Investor, der andere durch die Champions-League-Qualifikation. Und statt die Mannschaft behutsam zu verstärken, haben sie viele teure Spieler gekauft, die das Gehaltsgefüge sprengen, zum Teil Egoshooter sind und den Teamgeist kaputtmachen.

Union ist nun Bundesliga-Letzter. Nach dem Saisonstart, der den Klub mit zwei 4:1-Siegen zum Tabellenführer machte, gingen alle neun Spiele verloren. Das ist ein erschütternder Beweis für falsche Transfers. Das Ziel, die Mannschaft mit dem Italo-Weltmeister Bonucci, Gosens usw. noch weiter nach oben zu führen, ist total gescheitert.

Nach dem Gespräch mit meiner Mutter habe ich mir die Sache noch genauer angeschaut. Union gibt viel auf seine Identität. Doch beim 0:4 in Leverkusen standen nur zwei Deutsche in der Startelf. Ich entdeckte, daß Union auch in der vorigen Saison im November in Leverkusen spielte. Aus der damaligen Startelf standen am Sonntag nur noch drei Leute in der Anfangsformation. Union hat nicht aus Herthas Fehlern gelernt, einem Team Zeit zu geben. Jetzt muß der Klub aufpassen, dem Lokalrivalen nicht in die Zweite Liga zu folgen. Vielleicht lernen sie dann: Bei Hertha standen zuletzt acht Deutsche beim Anpfiff auf dem Platz, davon vier aus der eigenen Jugend.