© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/23 / 17. November 2023

Sophie Scholls Anziehungskraft reicht von LGBTQIA+ bis AfD
Ahnin aller Glaubensmutigen
(ob)

Wem gehört Sophie Scholl?“ Im Rückblick auf die lange Rezeptionsgeschichte zum studentischen Widerstand der „Weißen Rose“ ist diese Frage für den Theologen und Historiker Robert M. Zoske schwer zu beantworten (zeitzeichen, 10/2023). Bis in die 1960er sei die Erinnerung an das 1943 hingerichtete Geschwisterpaar Sophie und Hans Scholl von deren Schwester Inge Aichinger-Scholl formatiert worden, die in ihnen Märtyrer sah, die sich für ein „besseres Deutschland“ opferten. Nachdem Christian Petrys Studie über die „politisch naiven Idealisten“ diese Legende bereits 1968 relativiert hatte, dauerte es aber noch bis 2008, bevor Sönke Zankels wissenschaftliche Gesamtdarstellung hagiographischer Instrumentalisierung einen Riegel vorschob, so daß die darauf aufbauenden Biographien von Barbara Beuys (2010), Maren Gottschalk und Zoske (beide 2020) Sophie Scholl als „Kind ihrer Zeit mit Stärken und Schwächen“ porträtieren konnten. Doch einige „Weiße Rose“-Filme konservierten das Bild der Widerstandsheldin zumindest als „vereinfachtes Ideal“. Politische Akteure wie auch Staatsvertreter feierten sie gern als „Ahnin der heutigen Demokratie“. Das sei zwar historisch fragwürdig, aber legitim, da Sophie Scholl nun allen „Glaubensmutigen“ gehöre, von der „Last Generation“ über LGBTQIA+ bis zur AfD. 


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