© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/23 / 17. November 2023

Konzepte gesucht, um Lehrkräfte zu gewinnen
Mint-Report: Rezession in Deutschland führt zu Verkleinerung der Fachkräftelücke in der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik
Fabian Schmidt-Ahmad

Die Wirtschaft steckt in einer Krise. Ein Nebeneffekt davon ist, daß sich derzeit die sogenannte Mint-Lücke, also der Mangel an Fachkräften in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, etwas geschlossen hat. Wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im aktuellen Herbst-Report festhält, ist der Bedarf innerhalb eines Jahres um 15 Prozent eingebrochen. Dennoch bleiben momentan knapp drei von fünf Stellen weiterhin unbesetzt, rechnet das IW vor. 

So waren rund 476.400 Stellen in Mint-Berufen im Referenzmonat September 2023 ausgeschrieben. Demgegenüber standen 195.920 Personen, die sich in diesem Bereich als arbeitssuchend gemeldet hatten. Macht rein statistisch gesehen einen Überhang von weit über 280.000 Fällen, in denen der heimische Arbeitsmarkt nicht die Bedürfnisse der Wirtschaft an ausgebildeten Facharbeitern und Experten befriedigen konnte. Daran dürfte sich aus Sicht der IW-Autoren nicht so schnell etwas ändern.

Fatal ist der Mint-Mangel in der Ausbildung. Schulen, die keine Lehrer finden, müssen Unterrichtsfächer streichen. Das Ergebnis: Schüler, die nur geringe Mint-Kenntnisse und Fähigkeiten haben und so keine berufliche Karriere in dieser Richtung anstreben. „Ohne Berücksichtigung der zu erwartenden Quereinstiege werden die Lehrkräftelücken im kommenden Jahrzehnt immer weiter zunehmen“, schreiben die Autoren und prognostizieren einen „Höchststand im Schuljahr 2034/2035 mit 76.000 fehlenden Vollzeitäquivalenten“, wovon etwa ein Drittel auf Mint-Fächer entfällt.

So wächst eine ganze Generation heran, die trotz umfangreicher Werbekampagnen den Bezug zu Naturwissenschaften und Technik verloren hat. „Während der Anteil der Mint-Studienabsolventinnen und -absolventen an allen Hochschulabsolventinnen und -absolventen von 2005 bis 2015 von 31,3 Prozent noch auf 35,1 Prozent zunahm, ist dieser Anteil von 2015 bis 2022 wieder auf 32,5 Prozent gesunken“, zieht der Report das ernüchternde Fazit. Zumindest der durchschnittliche Frauenanteil in den Mint-Berufen ist innerhalb eines Jahrzehnts von 13,8 auf 16,1 Prozent leicht angestiegen.

Nur beim Alter gibt es einen deutlichen Anstieg. „Der Anteil der Mint-Beschäftigten im Alter ab 55 Jahren an allen Mint-Beschäftigten ist von Ende 2012 bis März 2023 deutlich von 15,1 Prozent auf 22,3 Prozent gestiegen.“ Ausgerechnet der „alte weiße Mann“ erweist sich als Mint-Rückgrat: „Während die Mint-Beschäftigung bei den 55- bis unter 58jährigen um 37,5 Prozent zunahm, stieg sie bei den 58- bis unter 61jährigen um 60,8 Prozent, bei den 61- bis unter 63jährigen um 93,1 Prozent und bei den ab 63jährigen sogar um 178,6 Prozent.“ Bleibt das Loblied der Einwanderung. „Die Engpässe im Mint-Bereich würden noch größer ausfallen, wenn nicht das Mint-Beschäftigungswachstum von ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern überproportional hoch ausgefallen wäre“, zeigt sich das IW begeistert. Freilich stellt sich die Frage, warum Hochqualifizierte in ein Land einwandern sollten, wo sie Rekordabgaben zahlen, eine überbordende Bürokratie befriedigen und ihre Kinder auf marode Schulen schicken müssen. Die Lösung des IW: Die Kriterien weiter absenken, wie es das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vorsieht. Mit diesem „werden der Kreis der Engpaßberufe für die Blaue Karte erweitert und die Gehaltsgrenzen herabgesetzt“, lobt das IW.

„Mint-Herbstreport 2023“ des IW Köln: www.iwkoeln.de