Nachdem René Benko von seinen Gesellschaftern gezwungen wurde, die Signa-Geschäfte zu übergeben, wird jetzt das ganze Ausmaß des Desasters deutlich. Neben den Baustopps zeichnen sich Kreditrisiken bei den Banken ab. Der angeschlagene Immobilienmarkt hat nun ein Problem mehr. Beide drohen in den Strudel des Kollapses der Signa-Gruppe zu geraten. Arndt Geiwitz, medial bekannt als Insolvenzverwalter der Drogeriemarktkette Schlecker und Sanierer von Galeria-Karstadt-Kaufhof, hat die Führung im Signa-Beirat übernommen.
Das achtköpfige Gremium ist seit Jahren prominent besetzt, unter anderem mit dem früheren österreichischen SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, der Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess (Ex-FPÖ), verheiratet mit dem EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP), sowie Roland Berger, dem „Grand Seigneur des internationalen Beraterwesens“. Sie waren offenbar mit den Problemen überfordert. Geiwitz muß bis Ende November einen Sanierungsplan vorlegen. Unterstützung erhält der Neu-Ulmer Wirtschaftsprüfer durch den Düsseldorfer Unternehmensberater Ralf Schmitz, die Investmentbank Rothschild und die Anwaltskanzlei White & Case.
Milliardenkredite bei mehreren Banken müssen bedient werden
Die Signa Development braucht 400 Millionen Euro, um Liquiditätsengpässe zu beseitigen. Die Uhr läuft. In Deutschland gilt eine Frist von drei Wochen ab Beginn der Zahlungsunfähigkeit, in Österreich von zwei Monaten. Geklärt werden muß auch die persönliche Haftung des bisherigen faktischen Geschäftsführers Benko. Laut der aktuellen Forbes-Liste „The World’s Billionaires“ steht der 46jährige Schulabbrecher aus Innsbruck mit einem Vermögen von sechs Milliarden Dollar global noch auf Rang 452. Die Beratungsgesellschaft Deloitte und die US-Kanzlei Kirkland & Ellis vertreten inzwischen die Interessen der Signa-Gläubiger.
Stutzig machten die Investoren die neuen Quartalszahlen: 32 Millionen Euro Cash, in der Vorperiode waren es 125 Millionen Euro. Zahlungen für Darlehen seien notwendig gewesen. Anleger befürchten nun, daß Gelder, die zur Anleihetilgung genutzt werden sollten, zur Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen verwendet wurden. Laut einer Reuters-Meldung soll Benko allein bei mehreren österreichischen Banken mit 2,2 Milliarden Euro in der Kreide stehen. Pessimisten schätzen die Signa-Gesamtschulden auf insgesamt 15 Milliarden Euro. Die US-Ratingagentur S&P gibt den Bruttoentwicklungswert aller Immobilienprojekte mit 8,3 Milliarden Euro an. Allerdings befinden sich davon nur 20 Prozent im Bau. 80 Prozent sind lediglich in der Planungsphase.
Die Österreichische Nationalbank sieht dennoch „die Finanzmarktstabilität nicht gefährdet“. Doch den Banken könnte die Intransparenz der Signa-Gruppe zum Verhängnis werden. Signa ist keine AG, für die es strenge Offenlegungspflichten gibt. Es gibt offenbar keine konsolidierte Bilanz für die mehr als 750 Firmen, deren Töchter an mehreren hundert Unternehmen beteiligt sein sollen. Es soll österreichische, schweizerische und Offshore-Gesellschaften geben. Eine Liechtensteiner Stiftung agiere im Hintergrund. Bei der Zürcher Bank Julius Bär soll ein 600-Millionen-Euro-Kredit in den Büchern stehen. Auch die deutschen Landesbanken Helaba, Bayern LB, die NordLB und LBBW oder die DZ Bank, das Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken, sollen Signa hohe Kredite gegeben haben.
Der nächste Wumms droht auch dem deutschen Immobilienmarkt
Auch die Commerz Real sowie die Versicherer Signal Iduna und R+V sollen von der Signa-Krise betroffen sein. S&P hat die Bonitätsnote des Immobilienprojektentwicklers Signa Development auf „CCC“ mit „negativem Ausblick“ herabgestuft. Das bedeutet, ein Zahlungsausfall wird erwartet, sollten keine neuen Gelder besorgt werden können. Eine Firmenanleihe der Gesellschaft im Umfang von 300 Millionen Euro wird inzwischen nur noch mit 30 Cent pro Euro gehandelt. Die Forderung nach einem Zahlungsaufschub dürfte die Banken wohl bald erreichen: „Es ist daher verantwortungsvoll wie geboten, jetzt eine umfassende Konsolidierung für das Unternehmen einzuleiten. Ich fordere alle Beteiligten auf, sich an diesem Prozeß zu beteiligen“, so Sanierer Geiwitz.
Sollte Signa jetzt sein Immobilienportfolio durch Verkäufe von Gebäuden unter hohen Abschlägen bereinigen, hätte dies negative Folgen für den Gewerbeimmobiliensektor. Banken, Projektentwickler und Investoren müßten ihre vergleichbaren Projekte niedriger bewerten – das reduziert auch die notwendigen Sicherheiten für Kredite und Finanzierungen. Hinzu kommen als Hauptursache die weltweit gestiegenen Zinsen für die Kredite. Das Ende der Null-Zins-Phase brach der Signa letztlich wohl das Genick.
Das Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe, das Hamburger Alsterhaus und das Oberpollinger in München werden die Krise sicher überstehen. Auch der Signa-Anteil am New Yorker Chrysler Building läßt sich zu Geld machen – allerdings immer mit Abschlägen. In Hamburg ruhen die Arbeiten am Prestigeprojekt „Elbtower“. Daß der 245 Meter hohe Wolkenkratzer mit Aussichtsplattform in der Hafencity tatsächlich 2025 für solvente Büromieter, Luxushotel und Edelgeschäfte einzugsbereit wird, glauben nur noch wenige. Immerhin hat der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne (Forbes-Rang 50 mit 28,2 Millarden Dollar) beim stockenden Büroprojekt „Beam Berlin“ sein 50-Prozent-Engagement auf 100 Prozent hochgefahren.