Die Auflösung der Linksfraktion im Bundestag ist nun beschlossene Sache, nachdem Sahra Wagenknecht und neun weitere Abgeordneten aus der Partei aus- und dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) beigetreten sind. Dadurch unterschreitet die Linksfraktion die für die Bildung einer Fraktion notwendige Zahl von fünf Prozent der Abgeordneten und kann nur noch als Gruppe mit weniger Personal und weniger Rechten weitermachen.
Dies bedeutet jedoch nicht das Ende der Linksfraktion: Als Rechtskörper bleibt sie auch über den 6. Dezember, das offizielle Enddatum, hinaus bestehen. Nach Wegfall der Rechtsstellung einer Fraktion durch ihre Auflösung schließe sich grundsätzlich die Liquidation der Fraktion an, also ihre vermögensrechtliche Auflösung, erläutern die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags. Und dafür sehe das Abgeordnetengesetz die Fraktion „für die Zwecke der Liquidation als fortbestehend“ an. Politische Äußerungen oder Betätigungen umfaßt dies aber nicht.
Die Linksfraktion hat in der Liquidation eine gewisse Übung, denn sie (damals PDS) schied schon einmal aus dem Bundestag aus und mußte liquidiert werden. Ein Schwerpunkt dabei besteht in der Auflösung der Arbeitsverträge der Mitarbeiter. Außerdem müssen finanzielle Verbindlichkeiten beglichen und eventuell bestehende Forderungen eingetrieben werden. Der letzte Fall einer Fraktionsliquidation liegt jetzt zehn Jahre zurück und betraf die FDP, die 2013 an der Fünfprozenthürde gescheitert und aus dem Bundestag ausgeschieden war. Liquidatoren waren Otto Fricke, Jörg van Essen und Stefan Ruppert, deren Hauptaufgabe darin bestand, den insgesamt 500 Mitarbeitern zu kündigen. Die gesamte Abwicklung dauerte derartig lange, daß es 2017 beim Wiedereinzug der FDP in den Bundestag zwei FDP-Fraktionen gab: zum einen die neu gewählte und dann die Fraktion in Liquidation.
Die Abwicklung der Linksfraktion könnte also mehrere Jahre dauern. Das lange Verfahren hatte der Bundesrechnungshof schon 2018 kritisiert. Dessen Präsident Kay Scheller verlangte eine zeitliche Zielvorgabe von maximal 18 Monaten. Außerdem sollten die Liquidation unter Kontrolle durch die Bundestagsverwaltung gestellt und Rechnungslegungspflichten wie das Aufbewahren von Unterlagen geregelt werden. Bei einer Untersuchung der FDP-Fraktion im Jahre 2013 stellte der Rechnungshof fest, daß viele Unterlagen vernichtet worden waren und die Liberalen gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit verstoßen hatten.
Doch auch wenn die Verbindlichkeiten höher sind als das Vermögen, kann eine Fraktion – genauso wie öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder Kirchen – nicht pleite gehen. „Aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Bedeutung sind Fraktionen des Deutschen Bundestages insolvenzunfähig. Es sprechen gute Gründe für die Annahme, daß auch die Fraktion in Liquidation insolvenzunfähig ist“, so das Fazit der Wissenschaftlichen Dienste.