© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 46/23 / 10. November 2023

Kabinenklatsch
Keine Spur von Souveränität
Ronald Berthold

Es gibt schlechte Verlierer, und es gibt schlechte Gewinner. Und manchmal gibt es das auf einmal. Einer, der in beiden Fällen besonders unsympathisch reagiert hat, ist für mich Bayern-Trainer Thomas Tuchel. Wer sich nach der Pokalblamage beim Drittligisten Saarbrücken keine Kritik anhören mag, scheint mir beim Rekordmeister falsch zu sein. Die Münchner legen doch immer so viel Wert auf ihre Souveränität. Sich dann aber mehr über die TV-Experten Dietmar Hamann und Lothar Matthäus aufzuregen, als über das peinliche Aus in der zweiten Runde, zeugt vom Gegenteil.

Und wie reagierte die Mannschaft, nachdem sie aus dem ersten Wettbewerb rausgeflogen war? Sie zerlegten den Erzrivalen um die Deutsche Meisterschaft in dessen Stadion mit 4:0. Borussia Dortmund hatte nicht den Hauch einer Chance. Doch anstatt sich nun zu freuen, reitet der Trainer seinen Ego-Trip weiter. Er hatte die völlig berechtigte Kritik auch an seiner Person immer noch als unverschämt auf dem Konto gebucht und legte nach dem Triumph einen Auftritt hin, der noch unangenehmer war als der seiner Mannschaft in Saarbrücken.

Tuchel kann nicht von Spiel zu Spiel denken, trat völlig unbegründet nach und beendete ohne aktuellen Anlaß sogar das Interview nach dem Spiel. Von der Souveränität, die diesen Verein einst auszeichnete, ist er meilenweit entfernt. Man muß es so sagen: Seinem 14 Jahre jüngeren Vorgänger Julian Nagelsmann, der nur rausflog, weil Tuchel auf dem Markt war, wäre das nicht passiert. Der ist zwar auch bissig, aber spielt niemals die beleidigte Leberwurst. Jetzt ist Nagelsmann Bundestrainer, und die Bayern plagen sich mit einem Unsympathen herum, der das Image ruiniert.